taz.de -- Uruguay - Costa Rica (Gruppe D): Dynamik schlägt Erfahrung

Costa Rica siegt gegen Uruguay überraschend deutlich mit 3:1. Nach einer zähen ersten Halbzeit drehen die „Ticos“ das Spiel.
Bild: Erzielte pflichtbewusst den Ausgleich gegen Uruguay: Costa Ricas Joel Campbell

Die Startbedingungen: Die Urus sind zu alt, sagen alle. Mag sein. Ist aber logisch, dass sich kein uruguayischer Nationalspieler eine Weltmeisterschaft in Brasilien entgehen lassen kann – schließlich werden sie da immer Weltmeister. Die Stars Diego Forlán, Edinson Cavani oder Luis Suárez würden sich vermutlich noch im Rollstuhl auf den Platz schieben lassen. Letzterer ist tatsächlich angeschlagen und sitzt gegen Costa Rica auf der Bank.

Für die Urus kann man Sir Alf Ramsey ruhig nochmal zitieren: „Never change a winning team.“ Dieses Team hat die Copa América 2011 gewonnen. Und die WM 2010 war so schlecht auch nicht – Costa Rica jedenfalls traut niemand auch nur einen 4. Platz zu. Obwohl das Team so stark wie nie ist. Offensivspieler Bryan Ruíz ist ein echter Star.

Das Spiel: Es beginnt mit einem uruguayischen [1][Klassiker]: Handspiel im eigenen Strafraum. Diesmal: Lugano. Hat aber keine Folgen. In der 15. Minute folgt die erste Chance für Uruguay, der Ball ist drin. Aber: Abseits. Die Costa Ricaner scheinen angespannt – gehen hart in die Zweikämpfe. In der 22. Minute wird Lugano im Strafraum geradezu herzlich umarmt vom Mainzer Spieler Junior Diaz. Dafür gibt’s einen Strafstoß. Cavani verwandelt souverän, 1:0. Die erste echte Chance für Costa Rica folgt in der 30. Minute, nach einem Freistoß, landet aber im Außennetz.

Eindeutig ist dieses Spiel nicht, die Urus sind langsam; es ist eben keiner unter 27 Jahre alt, da muss man schon haushalten mit den Kräften. Beide Mannschaften kämpfen, aber so richtigen Spielaufbau gibt es leider nicht. Die erste Halbzeit endet zäh. Die zweite Hälfte beginnt mit einer Gelben Karte für Lugano, der Campbell fies umgrätscht. Freistoß für Costa Rica, Torwart Muslera reagiert gewohnt schnell, aber es war knapp. Und dann, 53. Minute, kommt Campbell und knallt einfach den Ball an Muslera vorbei. 1:1. Man muss es gestehen, der Ausgleich ist verdient.

Und keine fünf Minuten vergehen, da passiert es noch einmal. Ein wunderschönes Kopfballtor von Duarte. 1:2 für Costa Rica. Der uruguayische Trainer reagiert sofort: Forlán darf sich ausruhen, Lodeiro kommt. Und Suárez hüpft am Spielfeldrand herum, kommt aber nicht. Doch alle Wechsel helfen nicht, die Urus sind enttäuschend schwerfällig, leisten sich zu viele Fehler. Entsprechend oft kommen die Costa Ricaner zum Torschuss – in kurzen Abständen fliegt der Ball über das uruguayische Tor.

Es wird rasanter, die Urus geben längst nicht auf. Doch in der 85. Minute fällt das 1:3. Urena, der gerade mal zwei Minuten auf dem Platz steht, trifft, nach einem Zuspiel von Campbell. Hier und da versuchen die Urus noch was, aber das Spiel ist gelaufen. Und dann taucht auch noch dieses alte Bild des grobschlächtigen uruguayischen Fußballers auf – Maxi Pereira tritt zu, als wäre es Mitte der 60er Jahre. Dafür sieht er Rot. Und das Spiel ist aus.

Der entscheidende Moment: Das 2:1 von Duarte. Wunderschönes Tor und danach ist auf einmal Dynamik auf dem Platz – das Team, mit dem keiner ernsthaft gerechnet hat, glüht auf einmal.

Spieler des Spiels: Joel Campbell. Nicht nur macht er den Ausgleichstreffer, er ist unglaublich präsent, versucht alles und riskiert viel. Man spürt, dass er nicht zum Spaß hier ist.

Die Pfeife des Spiels: Diego Forlán. Ein echter Torschuss ist zu wenig. Und ein Topstürmer, der kein ganzes Spiel durchhält, ist dann wohl doch zu alt.

Die Schlussfolgerung: Uruguay enttäuscht gnadenlos. Da ist kein Spirit zu sehen, keine Energie. So wird das nichts mit dem ewigen WM-Sieg in Brasilien. Das costa-ricanische „pura vida“ ist einfach die bessere Einstellung und das bessere Spiel. Diese Gruppe verspricht noch einiges. Abgesehen von den Uruguayern.

Und sonst? Die Urus tragen echt mal enge Trikots, da kann Batman einpacken! Wenigstens das.

14 Jun 2014

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Frauke Böger

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