taz.de -- Rücktrittsforderung an DFB-Chef Keller: Hauen und Durchstechen

Die Versammlung der Landesfürsten im deutschen Fußball entzieht DFB-Präsident Fritz Keller wegen dessen irren Nazi-Vergleichs das Vertrauen.
Bild: War's das? Fritz Keller am Tag seiner Wahl vor dem DFB-Logo

In idyllischer Lage nahe dem Templiner See in Potsdam hat sich die Führungsspitze des Deutschen Fußball-Bundes an diesem Wochenende mit den Landesverbandschefs getroffen. Ein friedliches Bild gibt die Führungsetage des Verbands allerdings schon lange nicht mehr ab. Höhepunkt des wüsten Hauen und Stechens war zuletzt Fritz Kellers indiskutabler Angriff auf Vizepräsident Rainer Koch, den er bei einer internen Sitzung [1][mit dem NS-Blutrichter Roland Freisler verglich.] Dieser Vorfall wurde ebenso schnell an die Medien weitergetragen wie etliche Gefechte zwischen den Streitparteien zuvor.

Kein Wunder also, dass in Potsdam etliche Vertrauensfragen gestellt wurden. Die durchaus spektakulären Ergebnisse verschickte die DFB-Presseabteilung am Sonntag um 14.16 Uhr. Dem obersten Repräsentanten Keller wurde dabei das Vertrauen entzogen, verbunden mit der Aufforderung zurückzutreten. Dieser Entschluss wurde mit 26 Stimmen getragen bei 9 Gegenstimmen. In einer Erklärung hieß es, der Vergleich sei „völlig inakteptabel“. Die Äußerung des Präsidenten sei „mit den Grundsätzen und Werten der Verbände nicht vereinbar“.

Allerdings entzog dieses Gremium in Potsdam auch DFB-Generalsekretär Friedrich Curtius, der sich seit Monaten im Dauerclinch mit Keller befindet, das Vertrauen. Den zum Curtius-Lager zählenden DFB-Funktionären Koch und Stephan Osnabrügge wurde dagegen das Vertrauen ausgesprochen.

Eine unmittelbare Konsequenz aus dem Votum erfolgte nicht. Die Landes- und Regionalfunktionäre erklärten: „Die Konferenz respektiert, dass sich die von den Entscheidungen Betroffenen, Fritz Keller und Dr. Friedrich Curtius, hierzu nicht unmittelbar äußern möchten und um Bedenkzeit gebeten haben.“ Es ist nun kaum vorstellbar, dass sich die beiden über diese Erklärung hinwegsetzen werden.

„Desaströses Bild“

Dass überhaupt noch einer genannten DFB-Granden so etwas wie Vertrauen genießt, ist indes als die größte Überraschung dieses Wochenendes zu werten. Der DFB-Betriebsrat hatte vor dem Treffen in Potsdam über das „desaströse Bild“ des Verbandes geklagt und gefordert, man dürfe sich nicht vor personellen Konsequenzen für einen Neuanfang scheuen. Ein solcher ist aber nach der Stärkung von Koch und Osnabrügge nicht zu erwarten.

In seiner Position als Vizepräsident zieht Rainer Koch schon lange die Fäden im Hintergrund. Der frühere DFB-Präsident Reinhard Grindel warf just an diesem Wochenende Koch vor, früher von den Recherchen des Spiegels zu den Unregelmäßigkeiten rund um die WM-Vergabe 2006 gehört zu haben. Diese Informationen habe er aber auch vor dem dann kurz darauf zum Rücktritt gezwungenen Präsidenten Wolfgang Niersbach zurückgehalten. Rainer Koch hat die Darstellung von Grindel am Samstag als unwahr zurückgewiesen. Allerdings will die Süddeutsche Zeitung bereits im Februar aus DFB-Kreisen gehört haben, Koch habe vor der Spiegel-Veröffentlichung bereits angekündigt, dass da „etwas Großes“ komme.

Koch ist aber zudem wegen anderer Vorgänge ins Zwielicht gerückt. So steht er in langjähriger Beziehung zum 74-jährigen Kommunikationsberater Kurt Diekmann, der sowohl für den DFB als auch für den Spiegel gearbeitet hat. Ein Mailverkehr des Spiegels mit Diekmann weist darauf hin, dass dieser an einem Artikel beteiligt war, nach dessen Erscheinen im März 2019 [2][der damalige Präsident Grindel nur wenig später zurücktreten musste]. Laut Bild-Zeitung brüstet sich Diekmann damit, am Sturz Grindels beteiligt gewesen zu sein.

Viele Fragen wirft nach wie vor ein opulenter Beratervertrag (360.000 Euro) des DFB mit Diekmann auf, der auch das Misstrauen von Präsident Fritz Keller auf sich gezogen hat. Er setzte durch, dass dieser Vorgang von externen Wirtschaftsprüfern unter die Lupe genommen wird. Diese wollten gemäß SZ-Recherche wissen, wieso der Verband, der über eine gut ausgestattete Medienabteilung verfügt, überhaupt zusätzliche Hilfe braucht. Und ob Diekmann, dessen Vertrag rückwirkend ausgestellt wurde, in Wirklichkeit schon vor April 2019 für den DFB gearbeitet hat. Auch bei der Aufklärung um die Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe der WM 2006 soll Diekmann eine Rolle gespielt haben.

Im Dickicht der vielen Ungeklärtheiten hat Rainer Koch bislang wenig Aufklärungseifer gezeigt. Das Vertrauen der DFB-Landesfürsten hat er aber trotzdem.

2 May 2021

LINKS

[1] /Chaos-im-Deutschen-Fussball-Bund/!5763534
[2] /Claudia-Roth-ueber-Grindel-Affaere/!5583464

AUTOREN

Johannes Kopp

TAGS

Deutscher Fußballbund (DFB)
Fritz Keller
Rücktritt
DFB-Präsident
DFB-Präsident
Kolumne Frühsport
Fußball
Kolumne Press-Schlag
Fußball und Politik
Kolumne Press-Schlag

ARTIKEL ZUM THEMA

Sportjuristin über DFB-Zoff: „Keller scheiterte an sich selber“

Sylvia Schenk möchte beim Deutschen Fußball-Bund mit Expertise aushelfen. Dem Ex-Präsidenten Fritz Keller gibt sie eine Mitschuld an der DFB-Krise.

Beben beim Deutschen Fußball-Bund: Desolates Bild

Angetreten als Reformer scheitert Fritz Keller in der Rolle des DFB-Präsidenten. Nach Querelen stellt er sein Amt zur Verfügung. Andere folgen.

Rücktrittsforderung an DOSB-Chef Hörmann: Demokratischer Frühling

Nach dem DFB muss sich der Deutsche Olympische Sportbund mit der Führungsfrage beschäftigen. Die alten Herrschaftsmodelle funktionieren nicht mehr.

Machtkampf im deutschen Fußball: Wütende Briefe

Der Zoff unter deutschen Fußballfunktionären geht in eine neue Runde. Jetzt giften sich der Chef die Profiligen und der oberste Amateurvertreter an.

Chaos im Deutschen Fußball-Bund: Durchstechen statt kicken

Die DFB-Führung zerlegt sich gerade. Es wird gepetzt und beleidigt. Da bleibt natürlich keine Zeit, Ideen für den Fußball der Zukuft zu entwickeln.

Nationalelf und PR-Video: „R? Ist nicht einfach“

Mit einem Filmchen beweist der DFB: Die Menschenrechts-Aktion der Nationalelf diente nur dem Image. Die Debatte über WM-Boykott geht weiter.

Streit in der DFB-Führung: Bloß keinen Streit vermeiden

Der DFB-Präsident zofft sich mit seinem Generalsekretär. Um Fußball geht es dabei nicht. Doch ein Streit könnte in der Sache fruchtbar sein.