taz.de -- Pietätlose Propaganda aus den USA: From the Riviera to the Sea
Trump veröffentlicht ein KI-generiertes Video über seine Pläne für den Gazastreifen. Ein Fiebertraum, so bizarr wie gefährlich.
Berlin taz | In [1][Gaza regnet] es plötzlich Geld. Die Trümmer und Toten sind einer neuen Metropole gewichen, der Horizont besteht aus Hochhäusern, die goldenen Strände laden zum Tanzen, Trinken und Essen ein, während man umgeben von Luxusvillen ist. Moderne Basare reihen sich an Hotels, Restaurants und Schnellstraßen.
Wer dieses neue Idyll am Mittelmeer erbaut hat? Jemand, der sich selbst für den Messias hält und dessen Name wie eine Flagge überall zu sehen ist. In der neuen [2][Gaza-Metropole] stehen goldene Statuen von ihm, auf jedem Gebäude steht sein Name, die vergoldeten Luftballons und Souvenirs tragen sein Gesicht.
Er ist nicht nur dort omnipräsent, sondern auf der ganzen Welt: [3][Donald Trump] mag egomanisch und schuld an so vielem sein, doch er beherrscht geschmackloses Marketing.
Am Mittwoch veröffentlichte der US-Präsident auf seiner eigenen Social-Media-Plattform Truth Social ein mit künstlicher Intelligenz generiertes Video, bevor er es auch auf anderen Medien vertrieb. An Pietätlosigkeit ist es kaum zu überbieten. Das Video stellt gleich zu Beginn die Frage, wie man 2025 mit Gaza umgehen soll. Die Bilder der Trump-Metropole sind im besten Influencer-Weichzeichner gehalten, konturenlos und ästhetisch kaum ansprechend.
Auch ein deutlich verjüngter Elon Musk ist zu sehen, wie er an dem fiktiven Strand genüsslich etwas isst und im Geldregen spaziert. Das Video gipfelt darin, dass sich der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Trump auf einer Liege am Pool sonnen, ein Glas in den Händen, ein Lächeln auf den Lippen.
Niemand hat erwartet, dass Trump in seiner zweiten Amtszeit plötzlich Empathie und Nächstenliebe predigt. Wenn überhaupt, ist die aktuelle Demontage der Demokratie und Menschenrechte erwartbar und sogar angekündigt gewesen.
Wer gehört zum Kapital, wer wird verstoßen
Doch das Gaza-Video ist selbst für den egozentrischen Autokraten ein Einschnitt. Schon seine Aussage Anfang Februar, dass er die palästinensische Bevölkerung in die anliegenden Nationen umsiedeln will, sorgte für Kritik. Er sähe in dem Küstenstreifen das Potenzial, „die Riviera des Nahen Ostens“ zu werden. Das Video zeigt nun seine utopischen Pläne.
Das perfide daran: Die Kinder, die zu Beginn des Videos noch in Schutt und Asche spielten, kommen noch immer aus denselben Höhlen heraus. Sie sind nicht Teil der Metropole, sie sind Aussätzige, die nicht die nötigen Finanzen für den goldenen Traum haben. Das Video macht deutlich, wer zum Kapital gehört und wer von ihm verstoßen wird.
Nicht nur das Video zeigt, wem man diese vermeintliche Utopie zu verdanken hat, auch der Song im Hintergrund – ähnlich scheußlich generiert wie die Bilder – lässt daran keinen Zweifel.
Immer wieder hört man Text-Versatzstücke wie „Trump Gaza is finally here“, „Trump Gaza Number One“ und „Donald Trump will set you free“. Doch wer hier überhaupt von was befreit wird, interessiert den US-Präsidenten selbstredend nicht.
Vielmehr treibt er mit seinen Gaza-Plänen neokolonialistische Interessen voran, wie er sie bereits in abstrakten Friedensverträgen mit der Ukraine auslebt, in denen er das Land zugunsten der USA ausbluten lassen will. Noch dazu greift er in einen geopolitischen Konflikt ein und will ihn für seine und US-amerikanische Zwecke nutzen.
„America First“ gilt auch in anderen Ländern. Trump macht aus dem umstrittenen Slogan „From the River to the Sea“ schlichtweg „From the Riviera to the Sea“. Damit riskiert er noch mehr Leid der palästinensischen Bevölkerung.
27 Feb 2025
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