taz.de -- Neuer Facebook-Algorithmus: Die Wohlfühl-Utopie
Mark Zuckerberg fühlt sich für unser Wohlbefinden zuständig – und passt den Newsfeed an. Awww. 😍 Wär doch nicht nötig gewesen.
Facebook-Zeit ist Wohlfühlzeit. Wer kennt das nicht – Zuhause gemütlich auf dem Sofa sitzen, mit einer Decke und einem Tee in der Hand, während man durch seinen Newsfeed scrollt? So richtig entspannt die Urlaubsfotos der besten Freundin liken, die Babybilder des Bruders mit Herzchen-Emojis kommentieren und selbst ein Update über den schönen Abend mit allen Freunden teilen. Die ganzen Trolle und Verschwörungstheoretiker auf den Facebook-Seiten der Nachrichtenportale stören dabei nur. Kontroverse, Diskussion, Information – wer braucht das schon?
Zum Glück hat das auch Mark Zuckerberg erkannt und schreitet nun ein. „Eines unserer großen Ziele für 2018 ist es, sicherzustellen, dass die Zeit, die wir alle auf Facebook verbringen, sinnvoll verwendete Zeit ist“, [1][schrieb der Facebook-Gründer am Donnerstagabend].
Zuckerberg fühlt sich persönlich für das Wohlbefinden der Nutzer*innen zuständig – und möchte deshalb statt Beiträgen von Firmen und Medienunternehmen wieder persönliche Inhalte in den Vordergrund stellen. Schließlich wurde Facebook mit dem Ziel gegründet, die Menschen weltweit zu verbinden – und diesem Ziel will Zuckerberg wieder näherkommen, schreibt er. Dafür nähme er selbst in Kauf, dass die Menschen wieder weniger Zeit in seinem Netzwerk verbrächten.
Das ist natürlich Quatsch. Facebook ist ein profitorientiertes Unternehmen und wird deshalb immer das Ziel haben, dass die Nutzer*innen gern möglichst viel Zeit mit dem Scrollen durch das Netzwerk verbringen und so die Werbeeinnahmen steigen. Die Wohlfühlnummer ist ohnehin eher bedrückend. Sollen wirklich nur noch die Dinge zählen, die ein positives Gefühl auslösen? Eine Facebook-Utopie, die von den Gräueln des Alltags ablenkt?
Gleichzeitig zeigt die Entscheidung aber: Das Unternehmen ist vielleicht doch nicht bereit, das ganze Gewicht der Nachrichteninformation auf seinen Schultern zu tragen. Hat Facebook aus [2][der Verbreitung von Fake News und der Beeinflussung von Wähler*innen] gelernt?
Seriöse Nachrichten haben keine Chance
In Deutschland nutzten 2015 immerhin [3][23 Prozent der Online-Mediennutzer*innen Facebook, um sich über aktuelle Nachrichten zu informieren]. Für Medienunternehmen ist das Netzwerk derzeit enorm wichtig, um Nutzer*innen auf das eigene Onlineangebot aufmerksam zu machen und sie auf die Nachrichtenwebseiten zu locken. Dabei sind sie immer von den häufig angepassten Facebook-Algorithmen abhängig, die mal selbst hochgeladene Fotos präferieren und mal Live-Videos.
Vor allem sind die Medienangebote auf Facebook bisher davon abhängig, dass ein Beitrag leicht verdaulich ist und viele Menschen Lust darauf haben, ihn anzuklicken und darauf zu reagieren. Seriöse Nachrichten und hintergründige Reportagen haben gegen kontroverse Aussagen und Spaß-Inhalte oft keine Chance.
Der Fokus auf Einzelpersonen statt auf Unternehmen könnte jetzt die sogenannten [4][„Echokammern“] verstärken. Wer ohnehin nur mit Gleichgesinnten auf Facebook befreundet ist, sieht ab sofort vielleicht nur noch Meinungen, die die eigene Einstellung bestätigen. Falschmeldungen können sich weiter verbreiten – nur eben auf dem Profil eines Facebook-Freunds.
Das erneute Anpassen des Facebook-Algorithmus ist dennoch eine Chance für alle. Für die Nachrichtenportale, weniger Arbeit in diese Ressource zu stecken und sich wieder auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren. Und für die Nutzer*innen, sich ihre Informationen dezentral über verschiedene Medien zu holen und Facebook-Nachrichten insgesamt kritischer zu sehen. Auf lange Sicht wäre diese Art der Mediennutzung wesentlich nachhaltiger.
12 Jan 2018
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