taz.de -- Kolumne Minority Report: Unausstehlicher Abstammungsfetisch
Die AfD im Saarland fragt nach den Vornamen von Menschen, die andere mit Messer angreifen. Sie erhält eine andere Antwort als erwartet. Und?
Die Frage nach dem Namen einer Person ist in der Regel unverfänglich, wir haben alle Namen, die fragende Person braucht keine niederschmetternde Antwort zu fürchten. Anders ist es offenbar, wenn die AfD nach Namen fragt. Und – so viel sei verraten – es ist ein bisschen traurig und ein bisschen lustig zugleich.
Mit einer parlamentarischen Anfrage wollte die AfD im Saarland herausfinden, ob es bei erfassten Messerangriffen Häufungen bei Vornamen gibt. Hintergrund war, dass die Polizei im September 2018 eine Statistik zur Messer-Kriminalität im Saarland herausgegeben hatte.
Diese hatte ergeben, dass der Großteil der Tatverdächtigen die deutsche Staatsbürgerschaft besaß – was die AfD aber nicht zufrieden stimmte. Sie fragte nun nach Einbürgerungen, doppelten Staatsangehörigkeiten und eben nach Häufungen von Vornamen. Die Intention ist klar. Da Staatsbürgerschaft nicht mehr nur nach dem Abstammungsprinzip erworben werden kann, wollte sie über Vornamen in Erfahrung bringen, ob die Genannten auch „Blutsdeutsche“ sind. Das sagte sie nicht so. Sie formte die unverfängliche Frage nach dem Namen in etwas Verfängliches.
Dann kam die Antwort der Landesregierung, in der – ohne Witz – die 13 häufigsten Messerangreifernamen im Saarland in einer Tabelle veröffentlicht wurden. Platz 1 ist Michael, gefolgt von Daniel, dann kommt Andreas. Die Antwort passte nicht in das rassistische Weltbild der AfD. Nun könnten sich alle freuen, die nicht mit dieser Partei sympathisieren.
Gleiche Logik wie die Wo-kommst-du-eigentlich-her-Frage?
Aber das, was die AfD da gemacht hat, folgt der gleichen Logik wie die Wo-kommst-du-eigentlich-her-Frage, mit der sich so viele Nicht-Weiße in Deutschland seit Jahrzehnten herumplagen müssen, weil manche Menschen nicht von ihrem Abstammungsfetisch lassen können. Nicht die Fragen an sich, sondern erst der Kontext, die Penetranz und das Sich-nicht-zufrieden-geben mit einer Antwort machen diese Form der Kommunikation so unausstehlich. Die AfD möchte nun, dass wirklich alle Vornamen der Messerangreifer veröffentlicht werden. Keine Ahnung, wohin das führen soll.
Was sagt es über eine Person aus, wenn sie Amir heißt, Kevin oder Gertrud? Nicht wirklich viel, aber auch nicht nichts, oder? Ein Name kann mit Geschlecht, Alter, Wohlstand, Armut, Herkunft und Religion assoziiert werden. Er kann beeinflussen, ob Lehrkräfte ein Kind eher positiv oder negativ wahrnehmen oder wie gut die Chancen auf eine Wohnung oder einen Job sind.
Das Verrückte ist, dass der Name, der ein Leben lang so eng mit der Identität eines Menschen verbunden ist, nichts ist, was man sich selber aussucht. Der AfD-Abgeordnete, der die Anfrage gestellt hat, heißt übrigens Rudolf. Und das heißt ja nicht, dass alle Rudis in der AfD sind. Ein Name ist ein Name ist ein Name.
1 Apr 2019
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die AfD will Vornamen der Silvester-Randalierer 2022 wissen. Niedersachsens Staatsgerichtshof verhandelte die Klage des Abgeordneten Stephan Bothe.
Ein Kurztrip ins Brandenburger Umland ist nicht immer schön. Vor allem wenn einem NPD-Plakate und Nazis begegnen.
Verständlich, aber nicht sonderlich hilfreich: Die Aufrufe, aus Solidarität eine Kippa zu tragen, gehen am eigentlichen Problem vorbei.
Horst Seehofer hat den Entwurf für ein neues Fachkräfteeinwanderungsgesetz vorgestellt. Das Ergebnis bietet Hürden ohne Ende.
Tarik Tesfu geht es um Themen wie Feminismus, Rassismus und Schokoriegel. Seine Late-Night-Show im Südblock verspricht Empowerment-Kuscheln.
Gendergerechte Sprache ist bekanntermaßen längst eine Norm, die kaum jemand mehr zu hinterfragen wagt. Was also tun? Ab in den Widerstand!
In Kleve verbrennt ein junger Mann in der JVA, in Frankfurt gründen Polizisten den „NSU 2.0“. Wer kann sich in diesem Land noch sicher fühlen?
„Nur eins von 103 Kindern spricht zu Hause Deutsch“, schrieb die „Bild“. Statt sich über die Mehrsprachigkeit zu freuen, werden Kinder stigmatisiert.