taz.de -- Großprojekt Verwaltungstreform: „Kultur des Misstrauens“

Bei einer Anhörung im Abgeordnetenhaus beschreiben zwei führende Verwaltungskenner eine Abschottungsmentalität bei den fast 150.000 Beschäftigten.
Bild: Im Berliner Abgeordnetenhaus fällt mutmaßlich im Juli die Entscheidung über die Verwaltungsreform

Berlin taz | Bezirke und [1][Hauptpersonalrat der rund 150.000 Beschäftigten des Landes] haben am Mittwoch im Abgeordnetenhaus darauf gedrängt, die seit Jahren viel diskutierte Verwaltungsreform tatsächlich zu beschließen. Sie begründeten das nicht allein mit dem seit über 20 Jahren beklagten Problem ungeklärter Zuständigkeiten, sondern auch mit einer nicht auf Zusammenarbeit ausgelegten Kultur in Behörden und Ämtern. „Zwischen den Dienststellen herrscht leider eine Kultur des Misstrauens vor“, sagte die Vorsitzende des Hauptpersonalrats, Daniela Ortmann bei einer Anhörung im Hauptausschuss des Landesparlaments.

Der Senat hatte den Entwurf der für eine Reform nötigen Gesetzesänderungen Anfang April beschlossen, [2][am 10. April diskutierte das Parlament erstmals darüber.] Seither aber ruhte der Parlamentsbetrieb wegen der Feiertage an Donnerstagen, dem Sitzungstag des Plenums.

Bei der Reform geht es im Kern um das, was in Berlin seit Jahren „Behörden-Pingpong“ heißt: ungeklärte Zuständigkeiten vor allem zwischen Bezirken und Senatsverwaltungen. Im Großen zogen sich deshalb Wohnungsbauprojekte und auch Wirtschaftsansiedlungen über Jahre hin oder scheiterten sogar. Im Kleinen verzweifelten Bürger, die keinen Ansprechpartner für ihre Anliegen fanden.

Das zu ändern gab es seit über zwei Jahrzehnten Anläufe, die jedoch versandeten. In der 2023 vereinbarten schwarz-roten Koalition aber schaffte es Regierungschef Kai Wegner (CDU), [3][alle Bezirksbürgermeister und die Führung von Grünen- und Linksfraktion von einem gemeinsamen Vorgehen zu überzeugen.] Auf Stimmen von Oppositionsabgeordneten ist Wegner angewiesen, um die Reform in der Verfassung verankern zu können – dazu braucht es eine Zweidrittelmehrheit im Parlament.

Bislang ungehörte Einblicke

All das fassten Wegner und seine für die Reform gelobte Staatssekretärin Martina Klement (CSU) am Mittwoch nochmals zusammen. Gänzlich neu an dieser Stelle aber waren die Zustandsbeschreibungen der Personalratschefin Ortmann und des Bezirksbürgermeisters von Lichtenberg, Martin Schäfer (CDU). Ortmann drängte darauf, den für den 10. Juli im Parlament erwarteten Gesetzesbeschluss nicht als Abschluss einer Verwaltungsreform zu betrachten – das sei „der Startschuss, nicht der Schlusspunkt“.

Denn um das Vereinbarte umzusetzen, brauchte es nach ihren Worten einen Kulturwechsel, den auch Staatssekretärin Klement forderte. Die Beschäftigten seien es bislang gewohnt, „in Abgrenzung zu anderen Referaten und Häusern zu denken“, sagte Ortmann. Bürgermeister Schäfer teilte diese Ansicht und stellte ein „Silodenken“ fest – „es denkt jedes Amt für sich, auch jede Senatsverwaltung“.

Das war offenbar auch langjährigen Parlamentariern nicht bewusst. SPD-Chefhaushälter Torsten Schneider etwa, seit 2006 Mitglied des Abgeordnetenhauses und mit allen zentralen Abläufen im politischen Berlin eng vertraut, bekannte: „Das habe ich in dieser Klarheit so noch nicht gehört.“

14 May 2025

LINKS

[1] https://www.berlin.de/hpr/
[2] /Plenarsitzung-im-Abgeordnetenhaus/!6077836
[3] /Verwaltungsreform-in-Berlin/!5960966

AUTOREN

Stefan Alberti

TAGS

Reform
Abgeordnetenhaus
Kai Wegner
Reform
Abgeordnetenhaus
Kai Wegner
Schwarz-rote Koalition in Berlin
Kai Wegner

ARTIKEL ZUM THEMA

Verwaltungsreform: Wieso nun auf den letzten Drücker?

CDU, SPD, Grüne und Linkspartei sind schon auf der Zielgerade für die seit Jahrzehnten diskutierte Reform. Nun steht abrupt eine große Hürde im Weg.

Senat und Bezirke: CDU dementiert: „Da wackelt gar nichts“

Die Verwaltungsreform ist nach jahrzehntelanger Diskussion fast im Ziel. Aber nur theoretisch. Denn ein zentraler Punkt ist weiter offen.

Verwaltungsreform in Berlin: Wenn's klappt, liegt's an Wegner

Jahrzehnte wurde diskutiert, aber die Reform blieb aus. Bis der CDU-Regierungschef vertrauensvolle Gespräche mit Opposition und Bezirken hinbekam.

Berliner Landespolitik: Jetzt soll's schneller gehen

Der Senat stimmt für die Verwaltungsreform, mit dem Behörden-Pingpong soll bald Schluss sein. Nun muss das Abgeordnetenhaus darüber entscheiden.

Verwaltungsreform auf der Zielgerade: Kein Scherz: Reformbeschluss am 1. April

Der Senat will laut Regierungschef Wegner (CDU) nächsten Dienstag dazu Gesetze auf den Weg bringen. Aus der SPD gab es jüngst noch Änderungswünsche.