taz.de -- Attentat auf Malala Yousafzai: Dorn im Auge der Taliban

Sie will lernen, in einer Schule. Deshalb schießen religiöse Fanatiker auf ein 14-jähriges Mädchen – und bringen damit Pakistans Regierung in Bedrängnis.
Bild: Anerkennung für ihren Mut: Kerzen für die angeschossene Malala Yousafzai.

BERLIN taz | Noch ist unklar, ob und wie die 14-jährige Malala Yousafzai überlebt. Am Dienstag hatte ein Attentäter im Nordwesten Pakistans auf das mutige Mädchen drei Schüsse abgefeuert. Malala wurde in Kopf und Schulter getroffen.

Pakistans Taliban (TTP) bekannten sich zu dem Attentat. „Sie war prowestlich, begehrte gegen die Taliban auf und nannte US-Präsident Barack Obama einen vorbildlichen Anführer“, so ein TTP-Sprecher. Mittlerweile wurde dem in künstlichem Koma gehaltenen Mädchen eine Kugel herausoperiert. Ihre Überlebenschancen sollen bei 70 Prozent liegen.

Malala hatte als Elfjährige begonnen, auf Urdu einen Blog für den britischen Sender BBC über ihr Leben im damals von den Taliban kontrollierten Swat-Tal zu schreiben. Sie geht in Mingora zur Schule, wo ihr Vater eine Privatschule betreibt. Er hatte sie zu dem Blog ermuntert. Auch er wird von den Taliban bedroht, die den Schulbesuch von Mädchen als „unislamisch“ ablehnen und in den von ihnen kontrollierten Gebieten schon hunderte Schulen geschlossen haben.

Schule trotz Drohungen

Malala, die einmal Ärztin werden will, beschrieb, wie wichtig ihr Lernen in der Schule sei und wie sie trotz Drohungen der Taliban weiter zum Unterricht ging. „Ich bin traurig, weil morgen die Winterferien beginnen“, schrieb sie etwa am 14. Januar 2009. „Der Direktor hat sie angekündigt, aber nicht gesagt, wann sie aufhören.“ Ihre bedrohte Schule blieb eine Weile geschlossen. Zuvor hatten Malala und andere Mädchen zur Sicherheit schon die Schuluniform abgelegt, um dann vom Direktor hören zu müssen, sie sollten sich bloß nicht bunt kleiden, weil dies die Taliban erzürne.

Ein Video aus dem Swat-Tal, das die brutale Hinrichtung einer Frau durch Taliban zeigte, löste 2009 öffentliche Empörung und eine Offensive des Militärs aus. Malalas Familie musste fliehen, bis die Armee in Swat wieder die Kontrolle hatte.

Die 14-Jährige, die schon die Gründung einer Partei für Mädchenbildung ankündigte, bekam Pakistans ersten Friedenspreis. Der machte sie bekannter. Zwar meldeten die Behörden am Freitag die Festnahme von fünf Verdächtigen; Ministerpräsident Raja Pervez Ashraf besuchte das Mädchen im Krankenhaus und gelobte, Extremisten zu bekämpfen und „unsere Kinder zu retten“. Doch bezweifeln Kommmentatoren, dass die Regierung das Attentat als Handlungsaufforderung versteht. Denn viele halten das Mädchen für mutiger als die Politiker.

12 Oct 2012

AUTOREN

Sven Hansen

TAGS

Friedensnobelpreis
Malala Yousafzai
Malala Yousafzai
Pakistan
Pakistan
Schiiten
Schiiten
Schwerpunkt Afghanistan

ARTIKEL ZUM THEMA

Friedensnobelpreis für Kinderrechte: Auszeichnung für ziviles Engagement

Kailash Satyarthi aus Indien und Malala Yousafzai aus Pakistan teilen sich die Auszeichnung. Kontrovers ist die Entscheidung des Komitees nicht.

Islamist begründet Malalas Kopfschuss: Post von den Taliban

Ein Taliban-Funktionär hat Malala Yousafzai einen Brief geschrieben. Grund für den Angriff auf die Aktivistin sei ihre „Propaganda“ gegen Islamisten gewesen.

Kinderrechtsaktivistin aus Pakistan: Malala schreibt ihre Lebensgeschichte

Sie bloggte über ihr Leben in Pakistan und überlebte einen Anfgriff der Taliban. Die Kinderrechtsaktivistin Malala Yousafzai veröffentlicht jetzt ihre Memoiren.

15jährige Pakistanerin aus Klinik entlassen: Noch weitere Operationen notwendig

Der Kinderrechtsaktivistin Malala Yousafzai geht es besser. Sie darf das Krankenhaus in Birmingham verlassen. Taliban-Kämpfer hatten versucht die 15jährige zu ermorden.

Journalisten auf der Abschussliste: Bombe der Taliban unterm Auto

Pakistanische Journalisten, die über die jugendliche Aktivistin Malala Yousafzai berichten, werden von den Taliban mit dem Tode bedroht.

Bombenanschlag auf Schiiten: Sieben Tote in Pakistan

Bei einem Attentat in Pakistan auf eine schiitische Prozession sind sieben Menschen, darunter vier Kinder, getötet worden. Verantwortlich zeigen sich die Taliban.

Selbstmord-Attentat in Pakistan: Dutzende Tote bei Taliban-Anschlag

In Pakistan sind bei einem Anschlag auf die schiitische Minderheit mindestens 23 Menschen getötet und mehr als 60 verletzt worden. Die Taliban bekannte sich zum Angriff.

UN-Sanktionen gegen Taliban-Gruppe: Warnsignal für Pakistan

Das jetzt mit Strafmaßnahmen belegte Haqqani-Netzwerk ist für medienwirksame Terrorangriffe in Kabul berüchtigt. Die Sanktionen erhöhen Druck auf Pakistan.

14-jährige Yousafzai in Großbritannien: „Feige Attacke“ der Taliban

Nach dem Mordversuch der Taliban kämpfte Malala Yousafzai um ihr Leben. Nun wurde die 14-Jährige zur Behandlung nach Großbritannien gebracht.

Pakistani gegen Schmähvideo: Noch ein irrwitziger Mordaufruf

Ein Minister setzt 100.000 Dollar aus für die Ermordung des Produzenten des Mohammed-Schmähfilms. Und er lädt auch noch die Taliban und al-Qaida dazu ein

Radio-Show in Afghanistan: „Wenn die Taliban anrufen, lege ich auf“

Nasratullah Khatir ist Radiomoderator – in einer US-Militärbasis in Afghanistan. Die Taliban rufen auch an. Sie wünschen sich keine Lieder, sondern seinen Tod.

Gericht stürzt Pakistans Regierungschef: Alles durcheinandergebracht

Der Sturz von Premier Gilani durch das Oberste Gericht bringt das Land in die Krise. Auch der nächste Regierungschef muss befürchten, nicht lange im Amt bleiben zu können.