taz.de -- Ethik-Podcast „Bin ich das Arschloch?“: „Er hasst sie einfach“
Der Podcast „Bin ich das Arschloch?“ diskutiert moralische Dilemmata. Er erinnert an Dr. Sommer und SZ-Gewissensfrage, aber von links und feministisch.
Manchmal ist die Antwort einfach. Zum Beispiel in diesem Fall: Ein Mann hat einem Freund 20 Euro dafür gegeben, dass er eine Frau küsst, die schon länger auf ihn steht – er aber nicht auf sie. Ist er deshalb ein Arschloch?
„Das ist das schlimmste, das ich seit langem gehört habe“, sagt Autorin und Moderatorin Lensi Schmidt (Studio Rot) dazu im neuen Podcast „Bin ich das Arschloch?“ Schmidt geht dort mit Max Scharff und Hinnerk Köhn (Normale Möwe) mit Gästen dem „Internet-Phänomen“ (Scharff) nach, nach dem der Podcast benannt wurde:
BIDA, oder im Englischen AITA, schwirrt schon etwas länger durch die [1][Social-Media-Plattform Reddit]. 2013 startete der englischsprachige Subreddit „Am I the Asshole“, 2020 folgte dann das deutschsprachige „Bin ich das Arschloch“. In der Foren-Beschreibung heißt es: „Lasst uns gemeinsam herausfinden, ob ihr euch in einer bestimmten Situation wie ein Arschloch verhalten habt, oder es die anderen waren.“
Die Fragen drehen sich um moralische Dilemmata – rechtlich erlaubt, aber deshalb auch legitim? Für den Podcast sucht Scharff mit Vorliebe solche Fragen heraus, bei denen die Antwort eigentlich klar ist, die Schmidt (Autorin von „Ich als Feminist …“, Gutkind Verlag) aber jedes Mal auf die Palme bringen – beziehungsweise mit den Füßen auf ihren Stuhl – zu sehen auf dem Instagram-Kanal von Studio Rot, wo die Hot Takes aus den Podcast-Aufnahmen als Videoschnipsel gezeigt werden.
Wenn der obige Kuss für Geld wirklich das schlimmste war, was Schmidt seit langem gehört hat, wurde der Rekord zwei Wochen später vermutlich schon wieder gebrochen. „Bin ich ein Arschloch, weil ich nicht vom Körper einer Freundin angezogen bin?“, liest Scharff vor. Die Geschichte dahinter: Eine Frau fragt ihren Freund, was er von ihren flachen Brüsten hält. Er antwortet, dass er größere Brüste attraktiver finde und es deshalb auch lieber möge, wenn sie beim Sex von ihm abgewandt sei. Schmidts Reaktion: „Er hasst sie einfach.“
In jeder der Folgen, die seit Oktober wöchentlich erscheinen, werden zwei, drei Fragen behandelt, nicht immer geht es um Männer, die sich arschlochmäßig gegenüber Frauen verhalten (aber oft), und nicht immer sind die Fragen ganz eindeutig zu beantworten: Was, wenn ich nicht will, dass ein obdachloser Bekannter meines Freundes bei uns einzieht? Oder wenn ich der Flüchtlingsfamilie, die bei uns wohnt, ein Auszugs-Ultimatum stelle, nachdem sie drei Wohnungen angeboten bekommen haben, die sie aber abgelehnt haben? Häufig bräuchte es mehr Informationen über die näheren Umstände, um besser urteilen zu können. Bei manchen Fragen scheinen die Einsender*innen vor allem ein Lob abholen zu wollen, zum Beispiel bei der Frage, ob es okay ist, eine Person bei ihrem Arbeitgeber zu melden, weil sie rechtsextreme Aussagen auf Insta postet.
„Bin ich das Arschloch?“ ist eine Mischung aus [2][Dr. Sommer] in der Bravo (gab es bis 2020 tatsächlich sogar auch mal als Podcast) und der Gewissensfrage aus dem SZ Magazin (2018 beendet), aber links und feministisch. Hosts und Gäste sind keine Psycholog*innen und geben auch keine praktische Beratung. Dennoch bieten sie manchmal praktische Lebenshilfe für die Hörer*innen. Vor allem aber macht das Zuhören Spaß.
9 Dec 2025
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