taz.de -- Backrooms in der Kunst: Durchs Hinterzimmer in die zweite Dimension
Portale in anderen Dimensionen: Hinterzimmer, verlassene Shoppingmalls und dazwischen Malerei, die alles mit Teilen von Onlinebildwelten zusammenbringt.
Vor einigen Jahren tauchte das erste Bild auf, in einem Onlineforum. Und man musste schon in sehr spezifischen Bildwelten unterwegs, vermutlich auch zu einer ganz bestimmten Zeit aufgewachsen sein, um in diesem unspektakulären, verwinkelten Flur mit fahlem Licht das Sagenhafte zu entdecken.
Bald tauchten weitere sogenannte Backrooms auf, Portale in andere Dimensionen: Hinterzimmer, verlassene Shoppingmalls, seltsam konstruierte Schwimmlandschaften, von denen ungewiss bleibt, ob sie Fotografien oder digitale Renderings zeigen.
Julian Heuser hat dieses spezifisch-mäandernde Raumgefühl aufgegriffen und in seine Galerie FILIALE gebracht, die seit September ihrerseits an einem solch eigensinnigen Ort untergebracht ist, wie er nach Ladenschluss nicht nur in eine digitale Fabel, sondern auch gut ins Buch „Das Ende der Moderne?“ über die Architektur der Neunziger- bis Nullerjahre passen würde.
Skurril gebaute Einkaufspassagen
„The Backrooms“ zeigt Malerei zwischen realen Ecken und Winkeln, die jene Architekturen in geometrischen Formen mit Versatzstücken von Onlinebildwelten zusammenbringt. Die verglasten Fronten der Galerie wurden teils mit Bildfolien beklebt – [1][eine Referenz an die Läden der Kette „GameStop“ und somit auch an eine schon] zu Ende gegangene Ära skurril gebauter Einkaufspassagen. Und vielleicht ist es nur folgerichtig, dass trotz aller räumlicher Bezüge hier keine realen Geheimtüren oder Hinterzimmer auf ihr Publikum warten. Dies hier bleibt konsequent ein Eskapismus ins Zweidimensionale.
Vom Zirkulieren bestimmter Bilder und ihrer Versprechen auf Verwandlung handelt auch „Great Transformation“ in der Frankfurter Galerie Hanna Bekker vom Rath. [2][Dort stellt erneut die Berliner Künstlerin Lena Schramm aus]. Mitgebracht hat sie einen schmutzgelben Bottich auf Metallbeinen etwa, eine weiß getünchte Rotlichtlaterne, in einer Ecke liegen Knicke und Kurven von Neonröhren. Da scheint die neuere Kunstgeschichte Grüße auszusenden.
Besonders anziehend die zweidimensionalen Arbeiten – oft kleinere Formate, auf denen die Künstlerin mit pastosem Farbauftrag Sprüche, Slogans und Titel rezitiert oder diese kleine, putzig-seltsame Oberfigur auftreten lässt, von der mir gar nicht mehr so genau einfällt, wo sie überhaupt zuzuordnen wäre. Bei Schramm wirkt all dies so spielerisch auf den Punkt gebracht, dass die exakte Provenienz jener durch Atelier, Ausstellungsraum und Köpfe geisternden Bilder im besten Fall keine Rolle mehr spielt.
„Zurück nach Afrika“
Noch einmal Portale: Bei Ana Paula dos Santos tauchen die schon im Ausstellungstitel auf, in der jüngst zu Ende gegangenen Schau „Abertura: I Returned and Saw the Doors and Beyond“ bei Sakhile&Me (im virtuellen Showroom der Galerie anschaubar). Die Frankfurter Künstlerin, geboren in Brasilien, bekam dort immer wieder zuhören, sie möge doch „zurück nach Afrika“ gehen. Das nahm sie für ihre fotografische Arbeit nun wörtlich und reiste dorthin – nicht einmal genau wissend, ob Ghana der tatsächliche Ort ist, an dem ihre Vorfahren lebten.
Deutlich sichtbare Schlieren zieren die Motive, die die Künstlerin von dort mitgebracht hat. Bemerkenswert hat dos Santos ihre eigene Antizipation den Bildern eingeschrieben: Nicht im Nachhinein durch subjektive Verfremdung, sondern als vorbereitende Arbeit hat sie die Filmrollen mit Zitronensaft und Seife präpariert. Wissend, dass die Portale, durch die man gehen muss, oft ausgedacht, sozial und subjektiv zusammengeschustert sind. Reale Erfahrungen lassen sich auf der anderen Seite immer noch machen.
16 Nov 2025
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