taz.de -- Verwaltungsgericht zum Verdachtsfall AfD: Alice Weidel wohl kein Spitzel

Die Einstufung der AfD als extremistischer Verdachtsfall beruht vor allem auf Äußerungen von sieben Funktionären. Die AfD hatte V-Leute im Verdacht.
Bild: AfD unter Beobachtung: Auch das Bundesverwaltungsgericht bestätigt die Einstufung als extremistischer Verdachtsfall

Es gab keine Anhaltspunkte, dass die Einstufung der AfD als extremistischer Verdachtsfall auf den Aussagen staatlicher Spitzel beruhte. Dies betonte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in seiner inzwischen vorgelegten Begründung [1][seines Ende Juli bekannt gemachten Beschlusses.]

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte die AfD [2][im März 2022 zum rechtsextremistischen Verdachtsfall erklärt]. Dagegen klagte der AfD-Bundesverband – allerdings durchgehend ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster bestätigte im Mai 2024 die Einstufung, denn es gebe Anhaltspunkte, dass sich die Politik der AfD gegen die Menschenwürde bestimmter Gruppen und das Demokratieprinzip richtet.

Da das OVG keine Revision zuließ, legte die AfD eine Nichtzulassungsbeschwerde ein. Diese Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig bereits Ende Mai zurück. Den Beschluss machte das BVerwG jedoch [3][erst Ende Juli bekannt], und auch da zunächst ohne Begründung. Inzwischen hat das Leipziger Gericht aber auch die 83-seitige Begründung veröffentlicht.

Demnach war ein Hauptkritikpunkt der AfD, dass die Einstufung der Partei als Verdachtsfall möglicherweise auf Äußerungen von AfD-Funktionär:innen beruht habe, die V-Leute oder verdeckte Ermittler:innen sind. Der Verfassungsschutz habe mögliche Spitzel in der Führungsebene der AfD nicht abgeschaltet. Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für Parteiverbotsverfahren müssten auch bei der Einstufung der Partei durch Verfassungsschutz und Gerichte gelten, so die AfD.

BVerwG: „Kein Anhaltspunkt“

Das sahen aber sowohl das OVG Münster als nun auch das BVerwG anders. Die Karlsruher Vorgaben für Parteiverbote ließen sich nicht auf die viel weniger einschneidende Einstufung einer Partei durch den Verfassungsschutz übertragen. Das Prinzip der „streitbaren Demokratie“ rechtfertige vielmehr die heimliche Bespitzelung auch während des Einstufungsverfahrens und nachfolgender Gerichtsprozesse.

Außerdem hatte das OVG und jetzt auch das BVerwG darauf abgestellt, dass die Erkenntnisse über die AfD „im Wesentlichen“ auf Äußerungen von Funktionär:innen beruhten, die nicht staatlich beeinflusst waren. Die Verwendung von Spitzel-Äußerungen musste zwar nicht völlig ausgeschlossen werden. Es gebe aber „keinen Anhaltspunkt“, so das BVerwG, dass die Äußerungen der sieben Politiker:innen, auf die sich die Einstufung als Verdachtsfall vor allem stützte, staatlich kompromittiert waren. Das BVerwG nannte hier ausdrücklich Alice Weidel, Björn Höcke, Stephan Brandner, [4][Maximilian Krah], Hans-Thomas Tillschneider, Christina Baum und Alexander Gauland.

Das Bundesverwaltungsgericht nutzte den AfD-Beschluss auch, um klarzustellen, wann Äußerungen über deutsche Staatsangehörige mit Migrationshintergrund verfassungswidrig sind. Solche Aussagen verstoßen gegen die Menschenwürde, wenn „sich aus dem Kontext ergibt, dass der Migrationshintergrund als solcher als Problem gesehen wird und nicht lediglich – rechtlich zulässig – eine fehlende Integration beklagt oder für eine restriktive Migrations- und Einbürgerungspolitik geworben werden soll.“

Nach Einstufung folgt AfD-Klage

In seinem Nichtzulassungsbeschluss bestätigte das BVerwG in 18 Punkten, warum eine Revision in diesem Verfahren nicht notwendig war, um rechtliche Grundsatzfragen zu klären. In sieben weiteren Punkten verneinte das BVerwG eine Divergenz der Münsteraner Entscheidung zu anderen obergerichtlichen Urteilen, und in 20 Punkten wies das BVerwG den Vorwurf von Verfahrensfehlern zurück. Die Beschwerde der AfD hatte 369 Seiten.

Die Einstufung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall ist damit rechtskräftig geworden. Im Mai hat das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD auch als [5][„gesichert rechtsextremistische Bestrebung“] eingestuft. Dagegen klagte die AfD sofort. Wann das Verwaltungsgericht Köln über diesen Eilantrag entscheidet, ist noch offen.

18 Aug 2025

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Christian Rath

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