taz.de -- +++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Gespräche, Proteste und neue Angriffe

Kyjiw und Moskau vereinbaren einen Gefangenenaustausch. Die Angriffe gehen weiter, ebenso die Proteste in der Ukraine gegen Selenskyjs Korruptionsgesetz.
Bild: Tausende von Menschen protestieren am Mittwoch in der Nähe des Präsidialamtes in Kyjiw

Neue Angriffe auf Ukraine

Bei erneut massiven russischen Angriffen aus der Luft sind in mehreren Städten der Ukraine mindestens zehn Menschen verletzt worden. In der Großstadt Tscherkassy nördlich von Kiew habe es sieben Verletzte gegeben, teilte Bürgermeister Anatoli Bondarenko mit. „Darunter ist auch ein Kind“, schrieb er auf Telegram. Die Stadt wurde unter anderem mit Raketen beschossen. Die Feuerwehr musste an verschiedenen Orten Brände löschen, die Energieversorgung im Stadtzentrum fiel aus.

In der Hafenstadt Odessa am Schwarzen Meer wurde der bekannte Markt Priwos durch die Angriffe in Flammen gesetzt. Schwer getroffen wurde zudem ein neunstöckiges Wohnhaus, wo über mehrere Etagen Wohnungen ausbrannten. Auch ein Einfamilienhaus und eine Tankstelle wurden zerstört. Nach bisherigem Stand wurden laut Behörden drei Menschen in der Stadt verletzt, die Einsatzkräfte suchen aber in den Trümmern noch nach möglichen weiteren Opfern.

In der benachbarten Gebietshauptstadt Mykolajiw sind nach Angaben von Militärgouverneur Witalij Kim durch Drohnenangriffe ebenfalls mehrere Brände ausgebrochen. Bei den Attacken sei vorläufigen Angaben aber nur Sachschaden an Wohn- und Lagerhäusern entstanden. Personen seien nicht zu Schaden gekommen, schrieb er. (dpa)

Gespräche in Türkei: Gefangenenaustausch – keine Waffenruhe

Bei ihren [1][Verhandlungen in der Türke]i haben sich Russland und die Ukraine auf einen weiteren Gefangenenaustausch geeinigt – Angriffe beider Seiten gingen derweil nachts unvermindert weiter. Russland meldete Tote, die Ukraine Luftangriffe auf mehrere Gebiete.

Unterdessen kündigte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ein neues Gesetz zur Funktion von Antikorruptionsorganen an. Erneut hatten am Mittwoch Tausende Ukrainer für die Rücknahme der jüngst in Kraft getretenen Gesetzgebung zur Korruptionsbekämpfung in der Hauptstadt Kyjiw sowie vielen anderen Großstädten demonstriert. Die Demonstranten fürchten um die Unabhängigkeit der Korruptionsermittler im Land.

Es sollen jeweils 1.200 Gefangene beider Seiten übergeben werden, wie der russische Chefunterhändler Wladimir Medinski nach den Gesprächen vor Journalisten in Istanbul sagte. Seinen Angaben zufolge sollen zudem entlang der Front im seit mehr als drei Jahre währenden Ukraine-Krieg weiter Schwerverletzte ausgetauscht werden. Kyjiw bestätigte die geplante Fortsetzung der Austausche, nannte aber keine konkreten Zahlen. Medinski sagte weiter, Russland habe zudem die Rückgabe von 3.000 weiteren ukrainischen Gefallenen angeboten.

Die Gespräche am Mittwochabend begannen mit knapp anderthalb Stunden Verspätung. Zuvor hatten sich die beiden Chefunterhändler zu einem kurzen Vieraugengespräch getroffen. Die Unterredung in großer Runde dauerte lediglich 40 Minuten. Der türkische Außenminister Hakan Fidan sagte vor Beginn der Verhandlungen, das ultimative Ziel sei ein Waffenstillstand, der den Weg zum Frieden ebne. Ein Durchbruch dafür bei dieser dritten Verhandlungsrunde galt jedoch bereits vorher als unwahrscheinlich. (dpa)

Bereits früher vereinbarter Austausch im Gange

Am Abend wurde bekannt, dass der letzte Austausch Gefangener, der bei Verhandlungen im Juni vereinbart worden war, vollzogen worden sei. „Zurzeit befinden sich die russischen Soldaten auf dem Territorium der Republik Belarus“, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau bei Telegram mit. Nach Angaben Medinskis wurden jeweils 250 Kriegsgefangene ausgetauscht. Insgesamt belaufe sich die Zahl der Ausgetauschten auf gut 2.400.

Wenig später bestätigte Selenskyj den aktuellen Austausch. „Heute fand bereits die neunte in Istanbul vereinbarte Austauschrunde statt“, schrieb er bei Telegram. Mehr als 1.000 Ukrainer seien von den Russen zurückgegeben worden. (dpa)

Kontakt zu russischen Passagierflugzeug abgebrochen

In Russland ist der Kontakt zu einem Passagierflugzeug vom Typ An-24 mit rund 50 Menschen an Bord abgerissen. Dies melden die Nachrichtenagentur Interfax und das Nachrichtenportal Shot übereinstimmend. Die Flugverkehrskontrolle habe den Kontakt zu der Maschine in der östlichen Region Amur verloren, hieß es. (rtr)

Neues Gesetz zur Korruptionsbekämpfung soll kommen

Mit Blick auf das nun neu angekündigte Gesetz zur Korruptionsbekämpfung versprach Selenskyj in seiner am Abend veröffentlichten Videobotschaft, es werde die Antwort auf alle Sorgen der Demonstranten sein und die Unabhängigkeit der Behörden zur Korruptionsbekämpfung gewährleisten. Er warf den Instituten erneut „russischen Einfluss“ vor. Das neue Gesetz werde das verhindern. Details nannte Selenskyj allerdings nicht.

Auch Ministerpräsidentin Julia Swyrydenko warb bei einem Treffen mit den Botschaftern der G7-Staaten für die kommende Novelle. „Die Regierung der Ukraine ist auf Nulltoleranz gegenüber der Korruption eingestellt“, schrieb die Regierungschefin bei Telegram. Das neue Gesetz werde alle vorhandenen Unstimmigkeiten beseitigen und die Unabhängigkeit der Antikorruptionsinfrastruktur stärken. (dpa)

Proteste reißen nicht ab

Allein in der Hauptstadt Kyjiw versammelten sich am Mittwoch wieder in Hörweite des Präsidentensitzes und trotz geltendem Kriegsrecht nach Medienberichten mindestens 1.500 Menschen. Auch in über einem Dutzend weiteren Großstädten wie Lwiw, Charkiw [2][und Odessa kam es zu Demonstrationen]. Die Teilnehmerzahlen überstiegen die Werte des Vortages deutlich, als es zu ersten spontanen Versammlungen gekommen war.

Denn Tags zuvor hatte das Parlament in Kyjiw im Eiltempo Gesetznormen beschlossen, die das 2015 geschaffene Nationale Antikorruptionsbüro (NABU) und die Spezialisierte Antikorruptionsstaatsanwaltschaft (SAP) weitgehend der Generalstaatsanwaltschaft unterstellen. Spontan protestierten in mehreren Großstädten Tausende vor allem junge Menschen gegen die Novelle und forderten ein Veto des Präsidenten. Dieser unterzeichnete das Gesetz am Dienstagabend, und es trat nach der Veröffentlichung sofort in Kraft. (dpa)

Russland meldet Tote

Bei einem nächtlichen ukrainischen Drohnenangriff in Russland im Badeort Sotschi am Schwarzen Meer wurde russischen Angaben nach eine Frau getötet. Die Zivilistin sei durch herabfallende Trümmerteile umgekommen, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf das regionale Krisenzentrum. Eine weitere Frau sei schwer verletzt worden, hieß es.

Tass meldete zudem den Tod eines Zivilisten im russisch besetzten Gebiet Donezk im Osten der Ukraine. Dieser sei bei einem ukrainischen Angriff auf eine Wohnsiedlung in Horliwka getötet worden, hieß es unter Berufung auf die russische Besatzungsverwaltung.

Die Darstellung konnte nicht unabhängig überprüft werden. Von ukrainischer Seite gab es dazu zunächst keine Angaben.

Am späten Abend hatte Tass unter Berufung auf das russische Verteidigungsministerium den Abschuss von mehr als 20 Drohnen über dem Schwarzen und dem Asowschen Meer sowie über Krasnodar im Süden des Landes gemeldet. (dpa)

24 Jul 2025

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