taz.de -- Vor Trump-Putin-Treffen in Alaska: Schulterschluss im Kanzleramt

Selenskyj kommt am Mittwoch persönlich nach Berlin. Merz betont vor dem Alaska-Gipfel: Ein Waffenstillstand sei die Grundlage aller Gespräche.
Bild: Auf persönliche Einladung: der ukrainische Präsident Selenskyj und Kanzler Merz in Berlin, 13. August

Vor dem amerikanisch-russischen Gipfeltreffen am Freitag haben europäische Vertreter*innen US-Präsident Trump am Mittwoch ihre Wünsche mitgegeben. „In Alaska müssen grundlegende europäische und ukrainische Sicherheitsinteressen gewahrt bleiben“, sagte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am Nachmittag nach einer Videokonferenz mit Trump.

Für Verhandlungen über ein Ende des Ukrainekriegs nannte er auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj fünf Bedingungen: Sollten aus dem Treffen am Freitag weitere Termine folgen, müsse die Ukraine direkt beteiligt werden. Am Anfang aller Gespräche müsse ein Waffenstillstand stehen, Details könnten danach geregelt werden. Ein mögliches Friedensabkommen müsse „robuste Sicherheitsgarantien“ für die Ukraine umfassen. Gehe es um territoriale Fragen, müsse die sogenannte Kontaktlinie der Ausgangspunkt sein – also der Stand vor Beginn der russischen Vollinvasion 2022. Selbst dann dürfe es aber n[1][icht um eine völkerrechtliche Anerkennung der russischen Besetzung gehen]. Und schließlich: Verhandlungen müssten „Teil einer transatlantischen gemeinsamen Strategie“ sein.

Was den US-Präsidenten angeht, verbreitete Merz Zweckoptimismus: Trump kenne diese Positionen und teile sie „sehr weitgehend“, so der Bundeskanzler. „Wir haben Präsident Trump das Allerbeste gewünscht.“

Selenskyj schloss sich während der Pressekonferenz im Kanzleramt den Forderungen an. Außerdem fügte er hinzu: „Russland darf kein Veto haben in Bezug auf unsere Perspektive in Europa und in der Nato.“

Selenskyj war am Mittag überraschend persönlich in Berlin eingetroffen, um sich im Kanzleramt mit Friedrich Merz vor den Rechner zu setzen. Der Bundeskanzler hatte zu mehreren Videokonferenzen eingeladen, um vor dem Treffen von Trump mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin am Freitag noch Einfluss auf den unberechenbaren Amerikaner zu nehmen.

Gegen 13 Uhr landete Selenskyj im Hubschrauber am Kanzleramt. Nach dem Mittagessen folgte um 14 Uhr die erste Videoschalte mit Staats- und Regierungschef*innen europäischer Ukraineverbündeter sowie den Spitzen von EU und Nato. Sie wollten gemeinsam den 15-Uhr-Termin vorbereiten: Bei dieser nächsten Runde schaltete sich Trump selbst zu. Später am Nachmittag war zur Nachbesprechung noch eine letzte Schalte angesetzt, diesmal mit der internationalen sogenannten Koalition der Willigen.

Im Vorfeld hatte Regierungssprecher Stefan Kornelius angekündigt, es solle in den Videokonferenzen „unter anderem um weitere Handlungsoptionen gehen, um Druck auf Russland zu erzeugen“. Darüber hinaus solle auch „über die Vorbereitung möglicher Friedensverhandlungen und damit verbundene Fragen zu Territorialansprüchen und Sicherheiten gesprochen werden“.

Kein Deal zulasten der Ukraine

Weniger diplomatisch ausgedrückt: Merz und die europäischen Verbündeten wollten verhindern, dass Trump am Freitag mit Putin einen Deal zulasten der Ukraine abschließt. Die beiden Präsidenten treffen sich in Alaska, unter Ausschluss ukrainischer Vertreter*innen. Trump bezeichnete das Treffen in dieser Woche als einen „Sondierungstermin“ und sprach davon, dass es zur Beendigung des Krieges einen „Gebietsaustausch“ geben werde. De facto heißt das wohl: Einseitige Gebietsabtretung seitens der Ukraine.

Ein Sprecher des russischen Außenministeriums bestätigte dagegen am Mittwoch erneut die völkerrechtswidrigen russischen Gebietsansprüche. Die Beratungen in den Videokonferenzen, die Merz am Mittwoch ausrichtete, nannte der Sprecher „unbedeutend“. Gleichzeitig versucht Russland vor dem Termin mit Trump offenbar, durch eine Offensive auf dem Schlachtfeld für Eindruck zu sorgen.

Die russischen Streitkräfte haben in dieser Woche [2][den größten Geländegewinn binnen 24 Stunden] seit mehr als einem Jahr erzielt. Wie die Auswertung von Daten des US-Instituts für Kriegsstudien durch die Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch ergab, übernahm oder beanspruchte die russische Armee im Laufe des Dienstags die Kontrolle über ein Gebiet von 110 Quadratkilometern. Seit Ende Mai 2024 hatte sie nicht mehr so viel Gelände innerhalb eines Tages eingenommen. Das Verteidigungsministerium in Moskau erklärte am Mittwoch zudem, dass die russischen Truppen zwei weitere Dörfer in der ostukrainischen Region Donezk eingenommen hätten.

In Berlin sprach Selenskyj am Mittwoch von einem „Bluff“. Der russische Präsident versuche „einfach überall an der Front durchzukommen“, so der Ukrainer. „Er möchte den Eindruck erwecken, Russland könnte die ganze Ukraine besetzen.“ (mit afp)

13 Aug 2025

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Tobias Schulze

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