taz.de -- Sanierung der Kieler Kunsthalle: Wuseln im leeren Haus

Die Kieler Kunsthalle bleibt bis 2028 geschlossen. Also schickt sie Arbeiten auf Reisen und setzt sich selbst mit kleinen Interventionen in Szene.
Bild: Innen Bauarbeiten, außen Kunst: die Kieler Kunsthalle samt der Film-Installation „Das geliehene Haus – Shell in Transition“

Das rote Wesen rennt hin und her, wirkt umtriebig, vielleicht manchmal sogar etwas orientierungslos. Große Scheren statt Hände, kullerige Augen: Es ist ein animierter Einsiedlerkrebs. Rund zwei Mal sechs Minuten dauert die Film-Installation „Das geliehene Haus – Shell in Transition“ der in Berlin lebenden Künstlerin Wagehe Raufi. Man schaut von außen zu, in den Glasvorbau der Kieler Kunsthalle. Normalerweise öffnet man die Tür und geht zur Kasse. Doch Schleswig-Holsteins einzige Kunsthalle ist seit Herbst 2023 geschlossen – Totalsanierung. Die Behausung ist im Übergang.

Nun aber zeigt sie mal wieder ein Werk, täglich 24 Stunden lang als Loop zu sehen. „Hier ist keine KI am Wirken, die zacki-zacki irgendwas hingeschrieben hat“, sagt Raufi. Nein, es sei alles handanimiert, Sequenz für Sequenz, am Ende digitalisiert, natürlich.

Die Arbeit basiert auf eigenen Erfahrungen in den realen Kunsthallen-Räumen. Tagelang ist die Künstlerin dafür durch das leere Haus gestreift; hat etwa das Echo ihrer Schritte aufgenommen, wenn sie durch das Treppenhaus hoch und runter gelaufen ist. Manchmal kommt ein dumpfes Dröhnen hinzu: das verfremdete Tuten der [1][Kreuzfahrtschiffe], die in Sichtweite regelmäßig ihre vielköpfige Fracht erst ausspucken und dann wieder aufsaugen.

„Der [2][Einsiedlerkrebs] sucht sich immer wieder ein neues Gehäuse, er lebt in ständiger Instabilität“, sagt Raufi. Und eine Frage sei: Liege im Moment des Wechselns, bei aller Gefährdung, nicht immer auch eine Chance für etwas gutes Neues? Wiedereröffnen soll die Kunsthalle in drei Jahren, 2028. Bis dahin wird das 1909 erbaute Gebäude klimatechnisch auf Stand gebracht, auch die Haustechnik wird erneuert. Und dann wird ein Café hinzukommen, mit Förde-Blick! Wer sich an die traurigen Kaffeeautomaten im dunklen Zwischengeschoss erinnert, wird das zu schätzen wissen.

Gefunden werden muss noch eine neue Direktion: Die bisherige Leiterin Anette Hüsch, die das Haus [3][fast anderthalb Jahrzehnte sehr souverän geführt hat], ist an die Alte Nationalgalerie in Berlin gewechselt. Ende Januar schon wurde sie im Kieler Schauspielhaus feierlich verabschiedet, ein Grußwort sprach unter anderem der Künstler Daniel Richter.

Bis zur Wiedereröffnung sind weitere künstlerische Interventionen geplant, außerdem ist man hier und da im Land zu Gast – seit dem Wochenende in der Gerisch-Stiftung bei Neumünster. Einige Arbeiten aus dem Kunsthallenbestand sind noch bis in den Winter 2026 auf dem Flensburger Museumsberg zu sehen: Der dortige Leiter durfte sich am Fundus bedienen, mixt nun etwa Emil Nolde und Asger Jorn mit der eigenen Sammlung. Ganz für sich, in einem einzelnen Raum, findet sich dort ein Hauptwerk der Kieler Sammlung, Albert Aereboes Gemälde „Der Einsiedler“. Der mag sich fragen (und fragen lassen): Wo ist es nun besser, unterwegs mit den anderen oder in Ruhe und allein?

20 Jul 2025

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AUTOREN

Frank Keil

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