taz.de -- Iran-Briefing verschoben: Zweifel an Ausschaltung des iranischen Atomprogramms

US-Präsident Donald Trump behauptet, die iranischen Atomanlagen seien komplett zerstört. Der amerikanische Militärgeheimdienst hat andere Informationen.
Bild: Sind sich sicher, die iranischen Atomanlagen komplett zerstört zu haben, trotz anderslautender Geheimdienstmeinung: Präsident Trump und Außenminister Rubio

Washington taz | Die amerikanischen Luftangriffe auf drei Atomanlagen im Iran wurden von US-Präsident Donald Trump als ein „spektakulärer Erfolg“ bezeichnet. Doch es kommen immer mehr Zweifel auf, ob sich Trump mit dieser Behauptung möglicherweise zu weit aus dem Fenster gelehnt hatte.

Wie CNN am Dienstag berichtete, beurteilen die amerikanischen Geheimdienste [1][die Militäroperation] weitaus weniger rosig. Im Gegensatz zu Trump, der behauptete, dass die Luftangriffe Irans Atomwaffenprogramm komplett ausradiert hätten, existiert innerhalb des amerikanischen Geheimdienstapparats die Einschätzung, dass durch den Militärschlag das Atomprogramm lediglich um ein paar Monate zurückgeworfen worden sei.

Diese vorläufige Analyse, die auch von anderen US-Medien bestätigt wurde, soll aus den Kreisen des amerikanischen Militärgeheimdienstes stammen. Sie basiert auf einer ersten Auswertung der [2][Schäden, die durch den Luftangriff verursacht wurden]. Geheimdienstmitarbeiter gehen demzufolge davon aus, dass Irans Vorrat an angereichertem Uran bei den Luftangriffen am Samstag nicht komplett zerstört wurde. Auch sollen die Zentrifugen, die zur Anreicherung benötigt werden, weitestgehend noch intakt sein.

„Vollständig zerstört“ und „ausgelöscht“?

Diese Einschätzung des Militärgeheimdienstes widerspricht deutlich den offiziellen Aussagen aus Regierungskreisen. Trump behauptete während der vergangenen Tage mehrfach, dass die Angriffe die iranischen Atomanreicherungsanlagen „vollständig und restlos zerstört“ hätten. [3][US-Verteidigungsminister Pete Hegseth] erklärte zudem am Wochenende, dass Irans atomare Ambitionen „ausgelöscht“ wurden.

Auch wenn es sich bei der Analyse des Militärgeheimdienstes nur um eine vorläufige Beurteilung handelt, so ist es ein klares Zeichen dafür, dass nicht einmal die USA selbst ganz genau wissen, wie erfolgreich ihr Militärschlag mit dem Codenamen „Operation Midnight Hammer“ wirklich war.

US-Regierung erklärt Geheimdienstaussagen für falsch

Weder das Weiße Haus noch das US-Verteidigungsministerium bestreiten, dass es diese konträre Einschätzung gibt. Sie erklären jedoch, dass diese schlichtweg falsch sei. „Nach allem, was wir gesehen haben – und ich habe alles gesehen –, hat unsere Bombenkampagne die Fähigkeit Irans, Atomwaffen zu bauen, zunichte gemacht“, sagte Hegseth in einer Erklärung an Reuters.

Auch Karoline Leavitt, die Pressesprecherin des Weißen Hauses, blieb ihrer Linie treu und sagte in einem Post auf X, dass die angebliche Beurteilung „völlig falsch sei“. Sie ging sogar noch weiter und erklärte, dass der Leak aus den Geheimdienstreihen ein klarer Versuch sei, Präsident Trump herabzusetzen.

„Jeder weiß, was passiert, wenn man vierzehn 30.000-Pfund-Bomben perfekt auf ihr Ziel abwirft: Völlige Vernichtung“, sagte Leavitt. Eine Anfrage der taz ließ das Pentagon unbeantwortet.

Im US-Kongress sorgte die Berichterstattung über die Geheimdienst-Beurteilung für zusätzlichen Unmut. Viele Kongressabgeordnete beschwerten sich bereits im Vorfeld darüber, dass die Regierung zwei geplante Briefings zum Thema Iran am Dienstag kurzfristig verschoben hatte.

Kongress-Briefing verschoben

Der demokratische Senator Chuck Schumer bezeichnete die kurzfristige Verschiebung des Briefings als „empörend“ und „fahrlässig“. Er erklärte, dass sich die Regierung davor drücke, ihren Pflichten nachzukommen. „Die Regierung ist gesetzlich verpflichtet, den Kongress genau über die Geschehnisse zu informieren“, sagte Schumer gegenüber Journalisten.

Auch die Top-Demokraten aus mehreren Ausschüssen im US-Repräsentantenhaus zeigten sich von der Verschiebung wenig begeistert. In einer gemeinsamen Mitteilung bezeichneten sie die Verschiebung des Briefings als inakzeptabel.

„Wir können nur spekulieren, warum die Regierung das Briefing abgesagt hat. Es scheint jedoch, als haben sie Angst, Fragen zu ihrer Politik und den unbestätigten Behauptungen des Präsidenten zu beantworten, die Angriffe hätten das iranische Atomprogramm zerstört. Die Regierung muss offen darlegen, was durch die nicht autorisierten Angriffe erreicht wurde und in welchem Ausmaß das iranische Atomprogramm beeinträchtigt wurde“, sagten sie.

Militärschlag als Verfassungsverstoß?

Viele Demokraten sind der Ansicht, dass Trump mit seinem Militärschlag gegen die Verfassung verstoßen hat, da er dies ohne die Zustimmung des Kongresses machte. Der offizielle Grund für die Verlegung ist laut AP die Abwesenheit von Außenminister Marco Rubio und Verteidigungsminister Hegseth, die beide beim Nato-Treffen in den Niederlanden sind. Sobald diese wieder da sind, sollen die Briefings abgehalten werden.

25 Jun 2025

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AUTOREN

Hansjürgen Mai

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