taz.de -- Gewalt während Protesten in Kenia: Regierung verhindert Liveübertragung der Proteste

In Kenia soll das gewaltvolle Vorgehen der Polizei gegen die Proteste nicht dokumentiert werden. Polizeikräfte stürmen lokale Radiostationen.
Bild: Demonstration am Jahrestag der Proteste gegen das Finanzgesetz 2024 in Kenia, Nairobi, 25. Juni 2025

Die Medienfreiheit in Kenia gerät immer mehr unter Druck. Das hat sich bei den Massenprotesten vergangenen Mittwoch klar gezeigt. Als gegen Mittag die [1][Stimmung auf Kenias Straßen kippte] und es zunehmend zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen der Generation Z und Polizeikräften kam, ordnete Kenias Kommunikationsbehörde glattweg alle Radio- und TV-Stationen des Landes an, die Live-Übertragungen einzustellen.

Die meisten Medienhäuser hatten Reporter, Kameraleute und Fotografen auf die Straßen geschickt. Viele Journalisten und Medienschaffende sympathisieren mit den Forderungen der Generation Z, einige sind sogar Teil der Bewegung.

Und so kam es, dass sich viele der privaten Medienhäuser des Landes weigerten, der Anordnung Folge zu leisten. An manchen Orten stürmten Polizeieinheiten lokale Radiostationen, um sie vom Netz zu nehmen. Letztlich schaltete die Regierung landesweit die TV-Verbindungen und Radiofrequenzen ab.

Doch dies heizte die Wut der Menge weiter an. Denn nicht zuletzt war die Generation Z auch auf die Straßen gegangen, [2][um für ihre von der Verfassung garantierten Rechte auf Medien- und Meinungsfreiheit zu kämpfen.]

Cyber-Crime-Einheit jagt Online-Aktivisten

Anlass der Protestaktion vergangene Woche war der erste Jahrestag der Proteste vom Juni 2024. Damals zogen landesweit Abertausende durch die Straßen, um gegen eine geplante Steuererhebung zu demonstrieren. Sicherheitskräfte gingen mit Gewalt dagegen vor, über 50 Protestler wurden getötet. Diesen 50 Getöteten sollte vergangene Woche durch einen Trauermarsch gedacht werden.

Seit einem Jahr macht Kenias sogenannte Cyber-Crime-Einheit der Polizei gezielt Jagd auf Online-Aktivisten, Blogger, Influencer und IT-Spezialisten, die im vergangenen Jahr die Proteste online – auch mithilfe künstlicher Intelligenz – befeuert hatten. Über 50 Blogger, IT-Spezialist*innen und Programmierer wurden verhaftet.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen sie auf Basis des Computermissbrauch-und-Cyber-Crime-Gesetzes, das 2018 eingeführt wurde. Darunter fällt auch die Nutzung von falschen Identitäten online und die Beleidigung von Amtsinhabern in den sozialen Medien.

Anfang Juni war die Softwareentwicklerin Rose Njeri verhaftet worden. Sie hatte bei den Protesten 2024 einen Link zu einer Webseite gepostet, auf welcher das Finanzgesetz in einfacher Sprache erklärt wurde. Viele Online-Aktivisten verschwanden im vergangenen Jahr spurlos, einige wurden sogar getötet.

Das jüngste Beispiel: der 31-jährige Blogger Albert Omondi Ojwang. Er war im Juni verhaftet worden, weil er online Kritik an Vize-Polizeichef Eliud Lagat geübt hatte. In seiner Gefängniszelle wurde er anschließend auf Anweisung des Vize-Polizeichefs zu Tode geprügelt.

Einst war das Internet für Afrikas Jugend ein freier Raum. Kenia war darin Vorreiter, wurde deswegen auch „Silicon Savannah“ genannt. Doch mit dieser Freiheit ist es vorbei, so Odanga Madung. Der kenianische Tech-Journalist untersucht die Rolle von KI in Protestkulturen in Afrika. „Mit dem Silicon Savannah kam auch der Silicon-Diktator“, so Madung. „Die autoritären Systeme der heutigen Zeit nutzen genau dieselbe Technologie, die viele Menschen bislang eingesetzt haben, um sich zu befreien.“

1 Jul 2025

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AUTOREN

Simone Schlindwein

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