taz.de -- Keine Belohnung für besondere Leistung: Dobrindts Turbo gegen schnellere Einbürgerungen

Wer sich extra anstrengt, soll nicht schneller den deutschen Pass kriegen, fordert der Innenminister. Die SPD ist einverstanden.
Bild: Einbürgerungsfeier mit SPD-Bundespräsident in Köln. Jetzt soll die schnelle Einbürgerung wieder abgeschafft werden

Berlin taz | Vor nicht einmal einem Jahr trat die Reform des Einbürgerungsgesetzes unter der Ampel in Kraft: Sie ermöglicht ausländischen Menschen, die „besondere Integrationsleistungen“ vorweisen können und sehr gutes Deutsch sprechen, bereits nach drei Jahren statt nach fünf eingebürgert zu werden.

Damit soll nun wieder Schluss sein. Bereits im Koalitionsvertrag vereinbarten Union und SPD, diesen Teil des Einbürgerungsgesetzes abzuschaffen. Ein entsprechender Gesetzentwurf aus dem Bundesinnenministerium von Alexander Dobrindt, CSU, soll am Mittwoch im Kabinett beschlossen werden. Dobrindt hatte die Regelung schon bei ihrer Einführung kritisiert. Mit der „Turbo-Einbürgerung“ würde der deutsche Pass „verramscht“, Integration erschwert und es würden „Pull-Effekte“ bei illegaler Migration erzeugt, sagte er. Dass die Einbürgerungspraxis an strenge Auflagen geknüpft ist, erwähnte er nicht.

In dem aktuellen Gesetzentwurf heißt es, ein Zeitraum von drei Jahren sei zu kurz, um sich so nachhaltig in die „hiesigen Lebensverhältnisse“ zu integrieren, als dass daraus ein Anspruch auf Einbürgerung erwachsen könne.

Migration soll begrenzt werden

Es ist das erklärte Ziel der neuen Regierung, Migration nicht nur zu „steuern“, sondern auch zu „begrenzen“. Die Abschaffung der schnelleren Einbürgerung reiht sich ein in die rechtlich umstrittene Zurückweisung Schutzsuchender an den deutschen Außengrenzen, die Dobrindt bereits durchgesetzt hat, sowie in seine Ankündigung, den Familiennachzug für Menschen unter subsidiärem Schutz in Deutschland vorerst auszusetzen.

Schmerzhaft müsste das Vorhaben eigentlich für die SPD sein. Sie hatte die Einbürgerungsregeln mit der Ampel selbst eingeführt und sich dafür gefeiert, Deutschland zu einem fortschrittlichen Einwanderungsland zu machen. Dirk Wiese, heute Erster parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion, hatte im vergangenen Jahr auf Dobrindt geantwortet: „Wir verramschen deutsche Pässe nicht – wir entstauben sie.“

„Vernünftiger und gangbarer Kompromiss“

Am Montag äußerte sich Wiese gegenüber der taz pragmatisch: In puncto Staatsbürgerschaft hätten Union und SPD einen „vernünftigen und gangbaren Kompromiss erzielt“. So blieben andere Bestandteile des Gesetzes erhalten: etwa die Möglichkeit zu doppelten Staatsbürgerschaften oder die darin festgelegte Einbürgerung nach fünf statt nach acht Jahren. Die geplante Abschaffung der Drei-Jahres-Regelung sei wegen der geringen Fallzahl „in der Sache verschmerzbar“.

Die Grünen, die die [1][Reform des Einbürgerungsgesetzes] gemeinsam mit der SPD und der FDP vorangetrieben hatten, sie nun aber nicht gemeinsam mit der Union wieder abschaffen, zeigen sich weniger versöhnlich. Filiz Polat, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion im Bundestag, nennt die geplante Abschaffung „weder fair noch klug“. Vor allem in Zeiten, in denen Deutschland auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen sei und diese langfristig im Land halten möchte. „Mit so einer [2][rückwärtsgewandten Politik] schadet Dobrindt der Integration und der deutschen Wirtschaft.“

27 May 2025

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Alice von Lenthe

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