taz.de -- Die Wahrheit: Hämmer, schepper, brüll

Kurt wird wach: Ein ganz normaler Morgen im Leben eines ganz normalen Menschen, der routiniert sein hartes Lärmtagwerk vollbringt.
Bild: Wacht Kurt auf, ist sein Lieblingsgerät nicht weit

Kurt erwachte mit lautem Stöhnen aus unruhigen Träumen. Es war bereits fünf Uhr dreißig am Montagmorgen, und er hatte doch garantiert etwas Wichtiges vergessen …

Verdammt! Da fiel es ihm wieder ein: Er musste ja zuerst zornig mit seinen Fäusten gegen sämtliche Wohnungswände hauen, weil er seinen Vorschlaghammer nicht finden konnte. Ach, da war er ja, der Vorschlaghammer, direkt hinter dem Blechkasten mit den Metallstiefeln. Und er funktionierte sogar noch! Kurt schalt sich selbst liebevoll, aber mit genügend Dezibel, einen Toren, weil er das gute Stück, das er hütete wie seinen benzinbetriebenen Rasenmäher, verloren geglaubt hatte.

Nun ging er zu seinem routinierten Tagwerk über. Als erstes brach er die Fliesen im Badezimmer auf, um seine Muskeln aufzuwärmen. Als er sicher war, dass alle Nachbarn endlich wach waren, drohte er kurz der Versuchung zu erliegen, wieder schlafen zu gehen. Doch er war noch lange nicht fertig. Es mussten ja noch sämtliche Möbel von links nach rechts und wieder zurück gerückt werden. Und zwischendurch wollte er auch noch ins Telefon brüllen, als stände die Apokalypse mit wiehernden Pferden vor der Tür.

Kurt hatte wirklich einen arg anstrengenden Tag vor sich. Zur willkommenen Entspannung schaltete er den Fernseher ein, aber er konnte ihn nicht hören. Weil sein Staubsauger mittlerweile so exzentrisch im Leerlauf lief, dass der Motor um Hilfe kreischte, stellte Kurt den Fernseher auf die allerhöchste Lautstärke. Nun konnte er leider sein Radio auch nicht mehr hören. Aus Trotz begann er zu husten, dass es nur so eine Art hatte. Dabei stampfte er gewaltig mit den Füßen auf.

Jetzt wollte er Rockmusik von Pur und zwar auf dem Balkon mit den beiden neuen Riesenboxen aus dem Baumarkt, in dem er auch seine Kettensäge und die Panzerketten für den Rollator gekauft hatte. Aber eine der Boxen war kaputt und gab nur noch schrille Pfeifgeräusche von sich.

Explodierende Kleiderbügel

Aus Frust bewehklagte Kurt sein Leid nicht eben dezent, und er fing an, Kleiderbügel in der Badewanne zu sortieren. Er besaß eine Menge Kleiderbügel: aus Plastik, aus Holz, aus Blei, aus Eisenerz, aus atomwaffenfähigem Plutonium und aus noch anderen Materialien. Hin und wieder fiel ihm einer davon runter und explodierte.

Jetzt war es an der Zeit, den antiken Zahnarztbohrer, den er neulich kostengünstig im Internet ersteigert hatte, unter Getöse aus dem sperrigen Bettkasten hervorzukramen und auszuprobieren. Dazu brauchte er seine alte Katze Scheppertonne, die sich aus unerfindlichen Gründen immer häufiger und quasi unauffindbar vor ihm versteckte. Doch Kurt wusste genau, wie er das scheue Tier aufstöbern konnte: Wie jedes Mal in einer solchen Situation erinnerte er sich an seine Freunde aus der Trommlertruppe, die stets bereit waren, ihm zu helfen.

Ein paar geschriene Anrufe genügten, und schon klingelten die Trommler mit Pauken, Trompeten, Schnaps und Fahnenschlag an der Haustür Sturm. Jetzt würde die alte Scheppertonne ganz sicher versuchen, die Flucht zu ergreifen. Doch Kurt hatte vorgesorgt, und die Brüllaffenbande, die er normalerweise im Keller neben dem Schleifgerät untergebracht hatte, hochgerufen. An den Affen würde Scheppertonne nicht vorbeikommen …

Langsam wurde Kurt dummerweise extrem müde, es war ja immerhin auch schon sechs Uhr dreißig in der Früh. Mit einem krachenden Rülpser warf er sich laut gähnend zurück in sein quietschendes Bett. Nebenan erwachten ein paar Mülltonnen und begannen, angeregt miteinander zu klappern. Zufrieden schnarchend versank Kurt wieder in herrlich unruhige Träume.

21 May 2025

AUTOREN

Corinna Stegemann

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