taz.de -- Reaktion auf US-Zölle: „Wirtschaftlich wie Putin“
Trumps Zollkeule wird als „Schock für den Welthandel“ wahrgenommen. Viele Staaten kündigen Maßnahmen an, die EU möglicherweise gegen US-Techkonzerne.
Berlin taz | Am Tag, nachdem US-Präsident Donald Trump 180 Staaten weltweit mit erhöhten Zöllen gedroht hatte, schwankten die Betroffenen zwischen Panik und Trotz. Zur Frage nach einem Handelskonflikt sagte Robert Habeck patzig Richtung Trump: „Wir wollen ihn nicht, aber wenn du ihn willst, dann kriegst du ihn.“ Und wedelte mit einem Stapel Papier in die Kameras: die EU-Giftliste mit möglichen Gegenmaßnahmen.
Diese erwägt die für Handel zuständige EU-Kommission derzeit gegen Trumps Zollhammer. Noch sei der Inhalt geheim, sagte der amtierende Wirtschaftsminister. Erst in zwei Wochen sollen Details bekannt werden. Davor werde mit den USA verhandelt. Dabei solle die EU „Feuer nicht mit Feuer beantworten“, so Habeck. Ziel soll sein, einen „Zollstreit zu vermeiden“, betonte der Grüne. Eine Eskalation des Handelskrachs – und da ist er sich mit den meisten ÖkonomInnen und PolitikerInnen weltweit einig, sei „zum Nachteil von allen, von Menschen und Betrieben“.
[1][Trump hatte am Mittwochabend im Weißen Haus angekündigt:] für Importe aus allen Ländern mindestens 10 Prozent Zölle, für besonders „unfreundliche“ Staaten zusätzliche happige Aufschläge. Demnach werden die USA für Einfuhren aus Europa schon ab kommender Woche Aufschläge von 20 Prozent erheben, Produkte aus China werden mit 34 Prozent bezollt, jene aus Indien mit 26 Prozent. Trump wetterte gegen die „fremden Aasgeier“, die sein Land „geplündert und vergewaltigt“ hätten – und rief den wirtschaftlichen Notstand aus.
„Rückkehr zum Protektionismus des 19. Jahrhunderts“
Frankreich, China, Kanada und weitere Staaten kündigten prompt Gegenmaßnahmen an. „Da der globale Handelskrieg zur Realität geworden ist, muss die Regierung all ihre Fähigkeiten einsetzen, um die Krise zu überwinden“, sagte der Präsident Südkoreas, Han Duck-soo. Das exportstarke Land hatte bereits mit China und Japan über die schnellere Schaffung einer Freihandelszone gesprochen.
„Die Rückkehr der USA zum Protektionismus des 19. Jahrhunderts ist kein intelligenter Schachzug“, sagte Spaniens sozialistischer Premier Pedro Sánchez – und kündigte Wirtschaftshilfen in Höhe von 14 Milliarden Euro an. Von einem „Wendepunkt in der Geschichte des Welthandels“, sprach unter anderem der Chef des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, Sebastian Dullien.
Der „Schock für den Welthandel“ tue „richtig weh, auch den Amerikanern“, betonte Moritz Schularick, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Das Institut rechnete vor, dass der Zollkonflikt die USA in diesem Jahr 1,7 Prozentpunkte ihrer Wirtschaftskraft kostet, China 0,6 und Deutschland 0,3 Prozentpunkte. Bei einer Eskalation des Zollstreits läge der wirtschaftliche Schaden für die Bundesrepublik in der vierjährigen Amtszeit Trumps bei rund 200 Milliarden Euro, für die EU gar bei 750 Milliarden Euro, kalkuliert das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft. Im Jahr 2028 fiele das deutsche Bruttoinlandsprodukt laut der Berechnungen aufgrund der US-Zölle etwa anderthalb Prozent niedriger als ohne Zölle.
Während Habeck die wirtschaftlichen Auswirkungen von Trumps Zollkeule für Deutschland mit dem Beginn des Ukrainekriegs verglich, fand Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer noch klarere Worte: Trump sei „für uns wirtschaftlich wahrscheinlich ein größerer Feind als Putin“. Die US-Zölle würden zu einer Produktionsverlagerung in die USA und zum Jobabbau in Deutschland führen, so Dudenhöffer. Tatsächlich denken Konzerne wie Mercedes-Benz bereits darüber nach, mehr SUVs in den USA zu produzieren. Damit wollen sie Zöllen auf Autoimporte in Höhe von 25 Prozent ausweichen, die Trump bereits in der vergangenen Woche angekündigt hatte.
Trumps Politik schreckt Investoren ab
Viele Verbände und ÖkonomInnen weltweit sehen ein anderes Szenario: Sie gehen davon aus, dass Trumps irrationale und unstete Wirtschaftspolitik InvestorInnen abschrecken wird. Tatsächlich sackten die Börsen weltweit am Donnerstag weiter ab. Pharmaaktien zogen an, weil Trump Medikamente von seinen Zöllen ausgenommen hat. Vorerst.
Während die Zölle in den USA die Preise verteuern und die Inflation anheizen, rechnen ÖkonomInnen wie IfW-Chef Schularick für Europa mit einem Preisrückgang von bis zu zwei Prozent. „Wenn unsere Exporte in den USA weniger nachgefragt werden, kommen mehr Produkte in Europa auf den Markt. Auch chinesische Waren werden in den weiter offenen europäischen Markt drängen. Das drückt die Preise“, so Schularick.
Die Europäische Union kündigte indes „harte, faire und abgestufte“ Gegenmaßnahmen an – und Gespräche mit Washington. „Wir finalisieren das erste Maßnahmenpaket als Reaktion auf die Stahlzölle“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die Zölle auf Stahl- und Aluminiumprodukte aus Europa gelten bereits seit Mitte März. Außerdem bereite die Kommission nun „weitere Maßnahmen vor, um unsere Interessen und Unternehmen zu schützen, falls die Verhandlungen scheitern“, so von der Leyen. Sie plant bisher, [2][eine vorsichtige Linie] zu fahren.
Habeck sprach indes davon, dass auf der EU-Giftliste wahrscheinlich Erdnüsse aus Kalifornien seien. Durch Maßnahmen wie diese soll Trumps Wählerklientel, in diesem Fall Landwirte, gezielt getroffen werden. Und davon, dass „US-Techkonzerne in Europa weitgehend von Steuern befreit seien“. Das werde bei den Verhandlungen „auf dem Tisch“ landen. Jetzt sei „der richtige Zeitpunkt für die EU, endlich gegen den Marktmissbrauch einiger mächtiger US-Digitalkonzerne vorzugehen“, betonte auch Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.
Dabei gehe es um „faire Besteuerung in Europa und die Einhaltung europäischer Regeln – von Datenschutz über ethische Standards bis hin zu Transparenz und Wettbewerb“. Allerdings, so Fratzscher, gebe es „häufig wenig oder keine Alternativen für deren digitalen Dienstleistungen“.
3 Apr 2025
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