taz.de -- Berliner Synthesizer Museum: Klangmaschinen im zweiten Stock

Musikproduzent Michael Soltau hat in Berlin-Kreuzberg ein Synthesizer Museum eröffnet. Die Instrumente können dort sogar ausprobiert werden.
Bild: Im Berliner Synthesizer Museum ist anfassen erlaubt

Überall blubbert, zwitschert und brummt es. Man befindet sich bei der Eröffnungsparty des neuen [1][Synthesizer Museums in Berlin], das ab sofort täglich außer dienstags geöffnet hat. Und da der Clou ist, dass man hier die elektronischen Instrumente, die seit den Sechzigern die Musik in so gut wie jedem Genre verändert bis revolutioniert haben, nicht bloß bestaunen, sondern auch auf den allermeisten spielen darf, machen die ersten Gäste von dieser Möglichkeit auch ordentlich Gebrauch.

50 Synthesizer sind in vier Räumen ausgestellt. Das Spektrum reicht von einem Allerweltssynthie wie dem DX7 von [2][Yamaha], der sich in den Achtzigern millionenfach verkaufte und auch heute noch bei Alleinunterhaltern beliebt ist, bis zu legendären Maschinen wie dem analogen halbmodularen System 100, das die japanische Firma Roland nur ein paar Jahre lang Mitte der Siebziger vertrieb und das heute von Liebhabern gesucht wird.

Sämtliche Geräte kommen aus der Privatsammlung von Michael Soltau, dem Leiter des Museums. Das, nebenbei bemerkt, zwar Synthesizer Museum heißt, streng genommen aber kein Museum ist, wie Soltau erklärt. Um im Berliner Museumsverband aufgenommen zu werden, müsste man Auflagen erfüllen, die am aktuellen Standort nicht zu erfüllen seien, sagt er. Beispielsweise müsste Barrierefreiheit gewährleistet sein. Was hier, direkt am Kottbusser Tor, zwischen Rewe und Paloma Bar im zweiten Stockwerk, derzeit nicht zu meistern sei.

Es sei eh unklar, wie lange das Synthesizer Museum in den ehemaligen Räumen des nach Friedrichshain umgezogenen Modularsynthesizer-Spezialisten Schneiders Laden bleiben werde. Ein Jahr sei geplant, dann: mal schauen.

Gestiegene Liebhaberpreise

Soltau ist Musikproduzent und seit den Achtzigern vertraut mit [3][Klangmaschinen]. Irgendwann in den Neunzigern, als alle dachten, man könne sich die Geräte sparen und stattdessen die nötige Software für den Computer zulegen, habe auch er viele seiner alten Kisten verkauft. Extra für sein Museumsprojekt habe er deshalb ein paar Exemplare für inzwischen gestiegene Liebhaberpreise neu besorgen müssen.

Das mit der Liebhaberei ist ja der eine Aspekt, der diese Ausstellung reizvoll macht. Die meisten der ausgestellten Geräte wurden von den einschlägigen Herstellern wie Korg, Buchla, Roland oder Yamaha nur für einen bestimmten Zeitraum produziert. Ein paar Jahre später galten sie bereits als veraltet und man brachte ein neues Produkt auf den Markt.

Doch seit einer Weile entdecken junge Produzenten und Produzentinnen wieder, wie reizvoll es sein kann, nicht nur am Laptop zu arbeiten, sondern auch an den Knöpfen und Schaltern dieser alten Vintage-Kisten herumzudrehen. Die Preise für diese stiegen also enorm an und so ist es für viele ein Traum, einen Buchla 100 aus den Sechzigern, den man sich eh nicht leisten kann, überhaupt einmal betrachten und sogar noch auf ihm herumspielen zu können.

Ikonische Instrumente

Zu den meisten der Instrumente gibt es Informationen, welcher Musiker oder welche Musikerin dieses benutzt oder gar ikonisch gemacht hat. Auf welchem Gerät wurde beispielsweise die berühmte Synthie-Fanfare in dem Überhit [4][„The Final Countdown“ von Europe] eingespielt? Auf einem Roland JX-8P.

Und dann steht in einer Ecke noch ein Yamaha CS-80. Aber nicht irgendeiner, sondern wahrscheinlich exakt das Gerät, mit dem Bruce Springsteen und Band ihr Album [5][„Born in the USA“] eingespielt haben. Herumspielen auf diesem darf man als Besucher oder Besucherin deswegen ausnahmsweise nicht.

14 Feb 2025

LINKS

[1] https://www.synthesizermuseum.info/
[2] /Neue-Musik-aus-Berlin/!5969598
[3] /Neue-Musik-aus-Berlin/!6063709
[4] https://youtu.be/9jK-NcRmVcw?si=ODRpTmJhA88VgPf7
[5] https://youtu.be/EPhWR4d3FJQ?si=2xG4qHj9pekLSa30

AUTOREN

Andreas Hartmann

TAGS

Musik
Synthesizer
Berlin Kultur
Berlin-Kreuzberg
Kino Berlin
Berlin Ausstellung
taz Plan
Musik
Gothic

ARTIKEL ZUM THEMA

Kreuzberger Ukuleleladen muss schließen: Abschied vom „hüpfenden Floh“

Ausverkauf im Leleland in der Gneisenaustraße. Ladenbesitzer Harry Truetsch muss sein Geschäft aufgeben. Es ist einmalig in Europa.

Kinotipp der Woche: Surreale Mitschnitte

Das Wolf Kino lädt zur David Lynch-Werkstatt. Neben mitgebrachten Snippets und gemeinsamer Diskussion läuft der Twin Peaks-Prequel „Fire Walk With Me“.

Farbenspiele in der Galerie Nord: Das geheime Leuchten

Von der Wirkmacht der Farben und ihrem malerischen Drängen in den Raum handelt die Ausstellung „Gravity’s Rainbow“ in der Galerie Nord in Moabit.

Neue Musik aus Berlin: Halbtrauer im Diskodickicht

Jan Jelinek ist einer der vielseitigsten deutschen Experimentalmusiker. Auf seinem Album „Kosmischer Pitch“ ist Wiederholung das Prinzip.

Disco aus Nigeria und Südostasien: Der Soundtrack zum Tigerkapitalismus

Das Londoner Label Soundway pflegt das musikalische Erbe Nigerias und Südostasiens. Aktuell mit zwei Disco-Compilations aus den 1970ern und 1980ern.

Gothic-Revival: Schmerz, schwarz und schwärzer

Verlangen düstere Zeiten nach düsterer Musik? Das schwelende Revival von Gothic in Musik, Film und Mode zeigt, dass es immer noch dunkler werden kann.