taz.de -- Landwirte bekommen Recht: Gericht killt Düngeverordnung
In „roten Gebieten“ ist wegen hoher Nitratwerte das Düngen beschränkt. Das ist rechtswidrig, so das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht.
Lüneburg taz | Eine Landwirtschaftsfamilie hat sich mit ihrer Klage gegen die niedersächsische Düngeverordnung, namentlich die Ausweisung von Gebieten, in denen das Düngen beschränkt wird, zum Teil durchgesetzt. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg verwarf die Verordnung mit Bezug auf das Grundwasser, nicht jedoch für Oberflächengewässer. Für letztere seien die Landwirte nicht klageberechtigt. Weil das Verfahren bundesrechtliche Regelungen betrifft, hat das Gericht die Revision zugelassen.
Bei dem Verfahren geht es um die Belastung der Gewässer mit Nitrat, das unter anderem aus der Düngung durch die Landwirtschaft stammt. Nitrat führt zur Überdüngung von Gewässern. Im Trinkwasser schadet es der Gesundheit. Es ist nur unter hohen Kosten zu entfernen. Die EU hat Deutschland deshalb aufgegeben, den [1][Nitratgehalt im Wasser zu verringern]. Der Bund und die Länder sind damit bereits im Verzug.
Geklagt hatte die Landwirtschaftsfamilie Thiermann aus Scharringhausen im niedersächsischen Landkreis Diepholz, deren Felder in einem der rot ausgewiesenen Gebiete liegen, in denen Einschränkungen beim Düngen gelten. „Wir müssen 20 Prozent unter Bedarf düngen“, sagt Heinrich Thiermann. Das beeinträchtige nicht nur den Ertrag, sondern auch die Humusbildung im Boden und damit die Bindung von CO2.
Thiermann versteht nicht, warum sein Betrieb überhaupt in einem roten Gebiet landen konnte. Schließlich lägen seine Felder in einem Trinkwasserschutzgebiet. „Unser Gebiet hat das beste Trinkwasser“, sagt Thiermann. „Deshalb haben wir uns gegen diese Verordnung gewandt.“
Umsetzung des Düngegesetzes mangelhaft
Das Gericht kritisierte die Art, wie der Bund die [2][Umsetzung seines Düngegesetzes] vorschrieb. Denn der Bund hat zu seinem [3][Gesetz] nicht nur eine Ausführungsverordnung erlassen, sondern auch eine Allgemeine Verwaltungsvorschrift (AVV), die die Länder stark band. Nach Auffassung des Gerichts hätten die entsprechenden Vorschriften direkt in die Düngevorordnung gehört und nicht in eine AVV. Denn nur durch eine Verordnung ließen sich die Länder rechtlich binden.
Klägeranwalt Konrad Asemissen wies darauf hin, dass der Bund an dieser Stelle in den Kompetenzbereich des Landes eingegriffen habe. „Eigentlich hätte sich das Land gegen den Bund wehren müssen“, sagte Asemissen.
Die Ausführung den Ländern zu übertragen, sei sinnvoll, weil es ermögliche, differenziert rote Gebiete festzulegen, sagte Achim Willand, der Anwalt des Landes. Die AVV habe der Bund mit Zustimmung der Länder geschaffen. „Die Einheitlichkeit war gewollt“, sagte der Vorsitzende Richter Kristofer Kurbjuhn.
Wie das Land die roten Gebiete ermittelt hat, war ein weiterer Streitpunkt. Das Land bediente sich dabei eines mathematischen Modells, das ausgehend von einem Netz an Messstellen die Areale berechnete, in denen der Nitratgehalt über den zulässigen Grenzwerten lag. Dieses Modell führte dazu, dass die ausgewiesenen roten Gebiete nicht mehr zu den Gebietseinheiten passten, die die Düngeverordnung und die AVV vorsehen.
Problem mit den roten Gebieten
Die Verwaltungsvorschrift geht von voneinander getrennten Grundwasserkörpern aus, für die oder innerhalb derer ermittelt werden soll, ob die Grenzwerte überschritten werden. Die Methode des Landes führte aber dazu, dass mancherorts das rote Gebiet in einen benachbarten grünen Grundwasserkörper hineinreicht oder nicht der gesamte Grundwasserkörper als rot ausgewiesen wird.
Der Vorsitzende Richter fand es unlogisch, dass sich das Land zunächst an den Grundwasserkörpern orientierte, um sich im zweiten Schritt nicht mehr daran zu halten. „Es wäre schlüssig gewesen, das Verfahren nur innerhalb des Grundwasserkörpers anzuwenden“, sagte Kurbjuhn.
„Wenn wir nur die Messstellen innerhalb der Grundwasserkörper berücksichtigen, ergibt sich eine geringere Qualität“, gab Anwalt Willand zu bedenken. Eine Vertreterin des Landes rechtfertigte das damit, dass die Grundwasserkörper nicht den realen hydrologischen Verhältnissen entsprächen, über viele Ebenen verliefen und nicht vollständig voneinander getrennt seien.
Die Verordnungen des Bundes gingen alle von abgegrenzten Grundwasservolumina aus, sagte der Richter Harald Kramer. Das Rechenmodell des Landes habe sich demgegenüber quasi verselbständigt, sagte Kurbjuhn.
Nicht nachvollziehen konnte das Gericht den Umgang des Landes mit den vorgegebenen Grenzwerten in seinem Rechenmodell. Rot wird ein Gebiet demnach dann, wenn sich mehr als 50 Milligramm Nitrat im Liter Grundwasser finden oder mehr als 37,5 Milligramm mit steigender Tendenz. Das Rechenmodell wertete jedoch alle Messstellen mit mehr als 37,5 Milligramm als rot aus – nicht nur die mit steigender Tendenz.
28 Jan 2025
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