taz.de -- Smart TVs: Die Überwachung ist Programm

Moderne Fernseher überwachen, was wie lang geschaut wird und verkaufen diese Daten an Werbeanbieter. Unsere Kolumnistin hätte da noch ein paar Ideen.
Bild: Der smarte Fernseher von heute schaut zurück

Na, lag zu Weihnachten ein Smart-TV unterm Tannenbaum? Oder gab es keins zum Fest, weil längst ein Exemplar auf einer altarähnlichen Anrichte im Wohnzimmer steht? Das ist jedenfalls mittlerweile die Regel: In gut 70 Prozent aller Haushalte mit Fernseher befindet sich mindestens eines dieser vernetzten Geräte. Was das so kann und macht? Na ja: Serien oder Filme von entsprechenden Plattformen streamen hauptsächlich, herkömmliche Fernsehprogramme ausstrahlen, DVDs abspielen. Klar. Aber auch: die Nutzer:innen praktisch im Sekundentakt überwachen.

Denn die Geräte erfassen in kurzen Abständen Bildschirminhalt und Ton, machen daraus einen digitalen Fingerabdruck und schicken diesen dann an die Hersteller der Geräte. Die vergleichen diese Fingerabdrücke mit dem, [1][was die Film- und Serienanbieter so im Portfolio haben], und wissen damit, wer wann was wie lange schaut.

Damit es nicht ganz so auffällt, haben sich die Hersteller dafür lauter hübsche Namen ausgedacht. „Viewing Information Services“ ist ein Beispiel dafür. Klingt eher nach Handreichung für das Programm als nach digitaler Überwachung – und nein, das ist bestimmt kein Zufall.

Nichts leichter also als [2][das Sammeln von werberelevanten Daten]. Daher wird bei der Überwachung via Smart-TV bestimmt nicht Schluss sein.

Ein Vorschlag: mehr Information Services

Wie wäre es zum Beispiel mit „Cooling Information Services“: Klingt nach Informationen, wo im Kühlschrank welches Produkt am besten untergebracht wird, um die Haltbarkeit zu verlängern? Aber nein: Sensoren registrieren zwar genau, welchen Inhalt der smarte Kühlschrank hat, was und wie viel wann reingestellt und was rausgenommen wird. Das vergessene Gemüse verwelkt aber zusehends im unteren Fach, während die Tür eine regelmäßige Fluktuation an Rotwein-Flaschen registriert. Aha.

Und was ist mit den „Washing Information Services“ der vernetzten Waschmaschine, die keineswegs dazu dienen, Wasser- und Waschmittelverbrauch möglichst genau auszutarieren? Sie registrieren stattdessen minutengenau, welches Waschprogramm wann angestellt wird und wie voll die Maschine dabei beladen wurde.

Besonders werberelevant sind diese Informationen, wenn sie dann noch mit den Daten des „Smart Key Service“ kombiniert werden, die das vom Vermieter ungefragt eingebaute digitale Wohnungstürschloss erhebt. Hauptsache, die verraten nicht dem oder der Falschen, wann die Bewohner:innen üblicherweise länger außer Haus unterwegs sind.

Dystopisch? Ja. Komplett unrealistisch? Hoffentlich. Aber das Schöne ist: Was die Überwachung beim Smart-TV angeht, die lässt sich ausschalten. Im Internet gibt es Anleitungen für die Menüs der verschiedenen Hersteller – [3][und wer die richtige gefunden hat], muss für das Deaktivieren vom Zeitaufwand her nicht einmal einen Urlaubstag nehmen. Das geht also noch am ersten Wochenende des neuen Jahres, ganz ohne zusätzlichen Vorsatz. Der kann dann für das Aufräumen des Kühlschranks genutzt werden.

3 Jan 2025

LINKS

[1] /Neue-Staffel-Squid-Game/!6059249
[2] /Vorratsdatenspeicherung-unter-Rot-Gruen/!6056535
[3] /Mini-Essays-der-Buchpreistraegerin-2024/!6052746

AUTOREN

Svenja Bergt

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