taz.de -- Konzertempfehlungen für Berlin: Der Klang von Wolken und Steinen
Im KM28 untersucht Alessandro Bosetti die menschliche Stimme, in der Philharmonie wird es romantisch, und bei den Biegungen ist Offenheit tonangebend.
Wir leben im Zeitalter der Bilder, heißt es. Das mag sein, wie es will, doch der Klang, mit oder ohne optische Zugabe, bleibt weiter mindestens genauso wichtig. Die Stimme spielt in diesem Spektrum eine besondere Rolle, ist sie doch so etwas wie der „Träger“ einer Person. Anonyme Stimmen haben dadurch etwas Paradoxes: Sie können intim und distanziert zugleich wirken.
Der Komponist Alessandro Bosetti untersucht die menschliche Stimme und ihre Reproduzierbarkeit in stets neuen Variationen und mit immer wieder neuen Ansätzen. [1][Für sein Konzert am Sonnabend] (14.12., 20 Uhr) im KM28 hat er sein Stück „Plane/Talea“ mitgebracht, das kurze und kürzeste menschliche Verlautbarungen als polyphones Geflecht über ein Mehrkanal-Tonsystem in Beziehung zueinander bringt.
Das mag abstrakt klingen, ist es erfahrungsgemäß aber nicht, denn die Stimmen bleiben als Stimmen „körnig“, werden nicht durch digitale Filter gejagt und verfremdet. Sie sprechen, aber zu wem eigentlich?
Am Dienstag gibt es im Kammermusiksaal der Philharmonie dann andere Stimmen zu hören, nämlich die, die der Pianist Alexander Lonquich auf seinem Instrument hervorbringt. Interessant ist vor allem die Zusammenstellung für diesen Klavierabend, bei dem Lonquich Werke des im Frühjahr verstorbenen Komponisten Wolfgang Rihm neben Klaviersonaten an der Schwelle zur Klassik von Carl Philipp Emanuel Bach, einem Stück des vor 200 Jahren geborenen Anton Bruckners und „Noveletten“ von Robert Schumann ins Gespräch miteinander bringt. Der Romantiker Schumann ist mit seinen kurzen Charakterstücken besonders prominent vertreten (17.12., 20 Uhr, [2][Tickets kosten 19 bis 41 Euro]).
Scheinbar gegensätzlich geht es am Mittwoch (18.12., 20 Uhr) [3][im Panda Platforma zu], wo das Trio Cloud and Stone im Schatten des Weihnachtsmarkts auf dem Gelände der Kulturbrauerei zu Gast ist. Wolken und Steine haben auf den ersten Eindruck wenig miteinander gemein, doch im Gebirge kann ihr Aufeinandertreffen mitunter wetterbestimmend sein.
Die Vibrafonistin Taiko Saito, der Saxofonist Alexander Beierbach und die Bassistin Maike Hilbig werden bei ihrem Konzert höchstwahrscheinlich keine Niederschläge auslösen, dafür aber wohl in ihrer Begegnung zwischen verträumt Verschleiertem und zupackend Direktem improvisieren.
Am Freitag (20.12., 20.30 Uhr) lädt dann das Ausland [4][zur letzten Ausgabe seiner Biegungen] in diesem Jahr. Die Autodidaktin Andrea Ermke vertritt dabei prominent die Berliner Echtzeitmusik. Mit Mini-Discs erstellt sie aus Field Recordings und Samples ganz eigene Soundcollagen, die sich für Hintergrundbeschallung wenig empfehlen.
Weiter geht es an dem Abend mit der Sängerin Saadet Türköz und der Pianistin Anaïs Tuerlinckx, die als Duo kraftvollen Gesang und nicht minder kraftvolles, teils bearbeitetes Klavier kombinieren.
Wenn dann noch die GBK, sprich Gleichbehandlungskommission, auf die Bühne kommt, braucht man keine behördliche Intervention zu fürchten. Vielmehr haben die Bassklarinettistin Susanna Gartmayer, der Trompeter Thomas Berghammer und der Schlagzeuger Didi Kern sich einen Spaß mit den Anfangsbuchstaben ihrer Nachnamen erlaubt. Offenheit ist bei ihnen tonangebend, selbst Groove ist schon mal erlaubt ([5][Tickets kosten an der Abendkasse 10 Euro]).
13 Dec 2024
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