taz.de -- Bauern nach Mercosur-Abkommen: Übertrieben und scheinheilig
Europäische Bauern fürchten, der Markt könne überschwemmt werden. Dabei ist es die EU, die Produkte in rauen Mengen subventioniert und exportiert.
Manche Kritikpunkte am Handelsabkommen der Europäischen Union mit vier Staaten der südamerikanischen Mercosur-Gruppe mögen gerechtfertigt sein: zum Beispiel, dass es die industrielle Entwicklung von Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay behindern könnte. Aber die Kritik vieler europäischer Bauern ist übertrieben und teils scheinheilig.
Anders als die Landwirte behaupten, werden die Agrarmärkte der EU keinesfalls mit Billigware aus Südamerika überschwemmt. Schließlich wird die Europäische Union nur überschaubare Kontingente einräumen, die die Mercosur-Staaten zu niedrigeren Zöllen als bisher exportieren können. Beispielsweise 99.000 Tonnen Rindfleisch pro Jahr. Das entspricht lediglich [1][1,6 Prozent der gesamten EU-Rindfleischproduktion] und ist rund die Hälfte der 196.000 Tonnen, die der [2][Mercosur] schon jetzt in die EU verkauft.
Im Ergebnis würde die EU nach den Zollsenkungen nur knapp 1 Prozent weniger Schweine- und Geflügelfleisch produzieren als vorher. Das geht aus einer Modellrechnung des bundeseigenen Thünen-Agrarforschungsinstituts hervor. Noch niedriger wären die Einbußen bei Rind- und Schaffleisch, Milchprodukten, Zucker, Getreide, Obst und Gemüse sowie Bioethanol.
Europäer sind Exportweltmeister
Heuchlerisch ist die Kritik unter anderem des Deutschen Bauernverbands an Importen aus dem [3][Mercosur]. Er drängt ständig darauf, dass die EU neue Exportmärkte für ihre Bauern öffnet. Die Union ist der größte Agrar- und Lebensmittelexporteur der Welt. 2023 exportierte die EU in dem Sektor für 70 Milliarden Euro mehr, als sie importierte. Die Europäer sind Weltmeister bei der Ausfuhr von Käse und Schweinefleisch.
Zwar stimmt es, dass zum Beispiel die Löhne in Deutschland höher sind als in Brasilien. Aber dafür können südamerikanische Landwirte von Agrarsubventionen auf EU-Niveau nur träumen: Die Europäer päppeln ihre Bauern mit 55 Milliarden Euro pro Jahr. Wer so viel subventioniert und exportiert, sollte sich nicht über ein paar zusätzliche Importe aus Mercosur-Staaten beklagen.
8 Dec 2024
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Es gibt eine Alternative zur Zollpolitik à la Trump oder Mercosur. Zollfreiheit sollte nur noch gelten, wenn fair und grün produziert wurde.
Deutsche Bauern halten 25 Prozent weniger Schweine und 18 Prozent weniger Rinder als vor zehn Jahren. Doch der Trend geht zu größeren Betrieben.
Die Regierung im Warschau lehnt den von der EU beschlossenen Handelsdeal ab. Ein Grund: die Präsidentschaftswahl 2025
In Uruguay ist das Mercosur-Abkommen unterzeichnet worden. Auch nach 20 Jahren Verhandlungen bleibt es hoch umstritten. Details zu Klimaschutz sind noch geheim.
Gegen das geplante Freihandelsabkommen mit Südamerika regt sich viel Protest. Dabei überwiegen die Vorteile – gerade in unsicheren Zeiten.
Erneut demonstrieren französische Landwirte, um den Handelsvertrag mit südamerikanischen Staaten zu stoppen, der im Dezember kommen könnte. Doch die Autoindustrie will den Deal.