taz.de -- Telefonat mit Putin: Falsche Nummer
Das Telefonat von Scholz mit Putin kommt zum irritierenden Zeitpunkt. Jetzt gilt es, die Ukraine aufzurüsten und in eine starke Position zu versetzen.
Kann sich die Ukraine noch auf ihre Verbündeten verlassen? Diese Frage wird in Kyjiw immer öfter gestellt. Wenn die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer in Brasilien zum [1][G20-Gipfel] zusammenkommen, ist die ukrainische Sorge, unter die Räder der Weltpolitik zu geraten, größer als je zuvor seit Kriegsbeginn. Die westliche Sehnsucht nach einer Normalisierung der Beziehungen mit Russlands Putin-Regime ist allgegenwärtig.
Bundeskanzler Olaf Scholz mag seinen [2][Anruf beim Kremlchef] drehen und wenden wie er will, eines ist unzweifelhaft: Der Anruf geschah auf deutsche Initiative, und damit war Deutschland der Bittsteller, während Wladimir Putin Bitten entgegennimmt. Kein Wunder, dass Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj erzürnt ist. Scholz möchte in den Wahlkampf ziehen als „Friedenskanzler“, der mit Putin spricht, und er will in Brasilien landen als großer Staatsmann, der eben vom Telefonat mit Putin kommt.
Der Ukraine aber ist nicht damit geholfen, wenn ihre vorgeblichen Verbündeten gegen ihren Willen in Moskau anrufen. Wer da anruft, ob Olaf Scholz oder [3][Elon Musk], ist Putin egal: Entscheidend ist, dass man um seine Gunst bettelt. Sein Kriegsziel ist eine ukrainische Kapitulation, sei es auf dem Schlachtfeld oder am Verhandlungstisch. Wer ihn um Nachgiebigkeit bittet, entlarvt aus seiner Sicht nur die eigene Nachgiebigkeit. Verhandlungen mit Putin darf es nur aus einer Position der Stärke geben.
[4][Gerade jetzt] müssen die großen Militärmächte des Westens alles in die Schlacht werfen, was sie zur Verfügung haben. Russland steht mit dem Rücken zur Wand, die täglichen Verluste an der Front sind auf Rekordniveau, die Wirtschaft schwankt und inzwischen braucht Moskau sogar Schützenhilfe aus Nordkorea. In dieser Situation telefoniert ein kluger Weltdiplomat nicht mit Moskau. Sondern er sorgt dafür, dass die Ukraine in die Lage versetzt wird, Russland die militärische Niederlage beizufügen, ohne die es keine Verhandlungslösung geben kann.
17 Nov 2024
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Am 24. Februar 2022 überfiel Russland die Ukraine. taz-Autor*innen berichten aus einem geschundenen Land, in dem die Hoffnung noch nicht verloren ist.
EU-Chefdiplomat Borrell kritisiert die zögerliche Außenpolitik der EU. Sein Vorschlag, den Dialog mit Israel auszusetzen, stößt auf wenig Zustimmung.
Die deutsche Politik reagiert auf Bidens Kurswechsel in der Ukraine weitgehend positiv. Aber kündigt sich auch ein Umdenken bei der eigenen Linie an?
Medienberichten zufolge haben die USA der Ukraine den Einsatz von Raketen mit großer Reichweite gegen Ziele in Russland gestattet. Präsident Selenskyj möchte dies „nicht mit Worten kommentieren“.
Die schwersten russischen Luftangriffe seit Monaten treffen Ziele im ganzen Land, sogar weit im Westen. Ein Anruf von Scholz sorgt für scharfe Kritik.
Nach knapp zwei Jahren Funkstille spricht Olaf Scholz mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Der wiederholt offensichtlich alt bekannte Bedingungen.
Kanzler Scholz will in der Ukraine „zügiger zu einem Frieden“ kommen. Russland reagiert gelangweilt und hat seine eigenen Vorstellungen von Frieden.
Beim Wirtschaftsforum in Wladiwostok zeigt sich Russlands Präsident optimistisch. Den US-Wahlen begegnet er mit antisemitischer Verschwörungsideologie.