taz.de -- Naturschutz für Wiesen: Sieg für Schmetterlinge vor Europäischem Gerichtshof

Deutschland habe Wiesen mit vielen Tier- und Pflanzenarten ungenügend geschützt, so der EuGH. Naturschutzregeln für Bauern müssten verbindlich sein.
Bild: Solche Landschaften will die EU geschützt wissen: Blühende Bergwiese im Sommer

Berlin taz | Der [1][Europäische Gerichtshof] (EuGH) hat Deutschland verurteilt, weil es zu wenig zum Erhalt artenreicher Mähwiesen in Schutzgebieten getan habe. Die klagende EU-Kommission habe signifikante Flächenverluste bei den Mähwiesen im Flachland und in den Bergen „in einer erheblichen Anzahl“ von Gebieten des Natura-2000-Netzes nachgewiesen, heißt es in der am Donnerstag veröffentlichten [2][Entscheidung].

Die Bundesrepublik verstieß demnach gegen die Habitatrichtlinie der EU, indem „sie keine rechtlich verbindlichen Schutzmaßnahmen gegen Überdüngung und zu frühe Mahd“ auf diesen Wiesen erließ. Sollte Deutschland das nun nicht ändern, drohen Geldstrafen.

Insgesamt geht es laut dem Urteil um 97.000 Hektar, das entspricht rund 2 Prozent des derzeit landwirtschaftlich genutzten Grünlands in der Bundesrepublik. Bauern erzeugen dort vor allem Raufutter wie Gras für Rinder, um Milch und Fleisch zu produzieren. Dort leben aber auch besonders viele Kräuter, blühende Pflanzen und bedrohte Tierarten, etwa die Schmetterlinge Großer Feuerfalter und Heller Wiesenknopf-Ameisenbläuling. Außerdem speichert Grünland deutlich mehr Kohlenstoff als Ackerland und trägt so zum Klimaschutz bei.

Doch allein von den beiden vom Urteil betroffenen Wiesentypen in Deutschland ging laut EU-Kommission seit 2006 rund die Hälfte der Fläche verloren. Diese Schätzung hält die Bundesregierung zwar für zu hoch, aber selbst die von ihr genannten niedrigeren Werte wären nach Meinung des EuGH zu schlecht. Unstrittig war in dem Verfahren die Ursache der Verluste: Die Wiesen werden zu viel gedüngt und zu früh gemäht.

Um das zu verhindern, seien keine speziellen Verbote notwendig, argumentierte Deutschland. Vereinbarungen mit den Bauern, Empfehlungen und unverbindliche Managementpläne würden reichen. Doch die Regierung habe nicht nachgewiesen, dass diese auch eingehalten werden, so das Gericht.

Die Kommission hatte Deutschland zudem auch vorgeworfen, keine aktualisierten Daten zu diesen Gebieten übermittelt zu haben. Dazu seien die Mitgliedsstaaten jedoch nicht verpflichtet, entschied der EuGH. Die deutschen Behörden hätten die Wiesen allerdings auch nicht genügend überwacht.

Der Naturschutzbund (Nabu), der das Verfahren durch eine Beschwerde bei der EU-Kommission ins Rollen gebracht hatte, fordert jetzt „einen durch den Bund koordinierten Aktionsplan Schutzgebiete mit verbindlichen und spezifischen Zielen und Maßnahmen für alle Natura 2000-Gebiete“. Das dafür nötige Geld müssten Bund und Länder bereitstellen. Die EU-Agrarsubventionen sollten genutzt werden, um Landwirte attraktiv dafür zu honorieren, das sie die Wiesen schützen.

Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger bezeichnete das Urteil als „Weckruf für den Naturschutz hierzulande, der weit über den konkreten Fall hinausgeht“. Denn laut Nabu könne die Gerichtsentscheidung auf andere Lebensraumtypen übertragen werden. Krüger wies darauf hin, dass der EuGH Deutschland bereits im September 2023 wegen Verstößen gegen EU-Recht in Schutzgebieten verurteilt hatte.

14 Nov 2024

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[1] /EuGH/!t5010360
[2] https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=292276&pageIndex=0&doclang=de&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=6426177

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Jost Maurin

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