taz.de -- Bremen-Bremerhavener Theaterkooperation: Vergebliche Suche nach Würde im Leben
Mit einer gemeinsamen Produktion zeigen Bremer Shakespeare Company und Stadttheater Bremerhaven: Die Welt neben den Nachrichten ist so toll nicht.
Autorin Judith Kuckart sucht sich selbst – wie sie wurde, was sie ist – in „Die Welt zwischen den Nachrichten“, ihrem aktuellen Roman. Als Regisseurin hat [1][sie] nun unter demselben Titel autofiktionales Theater mit Texten der Darstellerinnen auf die Bühne gebracht. Dieses Kooperationsprojekts des Stadttheaters Bremerhaven mit der Bremer Shakespeare Company feierte Ende September Uraufführung.
Es ist Nacht, die Bühne weit und offen für die schmerzhafte Suche nach etwas Würde im dahingewürfelten Leben. Natürlich auch für quälende Erinnerungen, zarte Beichten, rüde Abrechnungen, sehnsüchtige Träume oder tollkühne Empfindungen.
Als Lockvogel und Animateur fungiert [2][ein Radiomoderator] (Markus Seuß), der seine Hörer:innen zum Plaudern bringen will über lebensrettende Bücher, Songs, Filme und Gedichte. Warum öffnen Menschen dazu ihre Ohren und machen mit?
Nicht schlafen können sie, sind allein im Kampf mit sich und der Welt, so dass sie die Stille daheim unbedingt füllen müssen. Die Frauen des Stücks schließen von der „schönen Stimme“ des Moderators auf einen geistig-seelisch und vielleicht auch körperlich schönen Menschen.
Die Dark Lady als peinliche Figur
Einen, der ihr Leid ernst nimmt, wenn er den kleinen Verletzungen lauscht, die seit Kindertagen herumgeschleppt werden. Aber Hörfunk zu inszenieren macht noch kein gutes Theater. Schon gar nicht, wenn die Charaktere immer wieder ihre eigene Stimme verlieren, sie mit Zitaten aus Shakespeares Sonetten hochtunen [3][oder mit Phrasen] wie „Altern ist nichts für Feiglinge“ lädieren.
Ebenso distanzierend wirkt, dass die Darstellerinnen ihre selbst verfassten Texte eigenen Erlebens und Denkens nicht selbst mit dokumentar-theatraler Dringlichkeit, sondern als Fantasiefiguren äußern.
Die Rollengestaltung ist disparat. Isabel Zeumer tanzt mit dem Tod, Svea Auerbach belebt das Klischee der herzensguten Blinden, Angelika Hofstetter entwirft eine schnodderprollige Comedy-Type und Petra-Janina Schultz eine selbstverliebte Single-Frau.
Im Publikum sitzend führen die Vier ihre Radiotelefonate und kommentieren die Gespräche der anderen. Umschwirrt von einer Dark Lady (Leon Häder). Shakespeares Lieblings-Projektionsobjekt behauptet hier bloß, ein Pilz zu sein, gibt dümmliche Witze von sich, brüllt gern „abgefahren“ und kurvt dann auf Rollschuhen herum. Eine störende Figur. Schließlich entern die Frauen die Bühne. Der Moderator mutiert vom Stichwortgeber zum Erzähler.
Die einsamen Herzen sind nun Geschöpfe seiner Einbildungskraft, die ihm die eigene Einsamkeit erträglicher machen sollen. Das spannungsvoll zu vermitteln, mag in der Kammerspielintimität des Kleinen Hauses in Bremerhaven funktionieren. Auf der Bühne der Shakespeare Company in Bremen verliert sich das Stück und lässt sich bestenfalls als flauer Theaterabend erleben.
19 Oct 2024
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