taz.de -- Geplantes Gewalthilfegesetz: Verbände fordern Schutz für Frauen

Dutzende Initiativen machen Druck: Das Gewalthilfegesetz müsse kommen. Es soll das Recht auf Schutz vor Gewalt für Frauen und deren Kinder absichern.
Bild: Innerhalb weniger Tage wurden im August zwei Frauen bei einem Messerangriff in Berlin getötet

Berlin taz | Gleich drei offene Briefe innerhalb einer Woche, der jüngste von Mittwoch: Dutzende Verbände und Initiativen fordern von der Bundesregierung, das im Koalitionsvertrag angekündigte Gewalthilfegesetz endlich auf den Weg zu bringen. Das soll das Recht auf Schutz vor Gewalt für Frauen und deren Kinder absichern und einen einheitlichen Rechtsrahmen für die Finanzierung von Frauenhäusern sicherstellen. Doch wie so viele geschlechterpolitische Vorhaben lässt auch dieser Gesetzentwurf auf sich warten.

Das Bündnis Istanbul-Konvention, dem unter anderen Medica Mondiale, der Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe sowie ProAsyl angehören, schreibt nun, der Anstieg geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt in den vergangenen Jahren sei „besorgniserregend“: Alle vier Minuten werde eine Frau Opfer häuslicher Gewalt. Und jeden zweiten Tag werde eine Frau durch ihren Partner oder Ex-Partner getötet.

Ein Bündnis, dem unter anderen Terre des Femmes, das Centre for Feminist Foreign Policy und der Katholische Deutsche Frauenbund angehören, [1][fragt]: „Wie viele tote Frauen braucht es noch, damit Sie handeln?“. Und die Frauenhauskoordinierung, die knapp 275 Frauenhäuser und rund 300 Fachberatungsstellen vertritt, [2][fordert]: „Halten Sie Ihr Versprechen und sorgen Sie dafür, dass Frauen und ihre Kinder kostenfreien Schutz und Beratung erhalten.“

Finanzierung als Streitpunkt

Strittig dürfte in der Ampelregierung derzeit vor allem die Finanzierung des Gewalthilfegesetzes sein. „Wir bauen das Hilfesystem bedarfsgerecht aus. Der Bund beteiligt sich an der Regelfinanzierung“, heißt es zwar im Koalitionsvertrag. Legt man allerdings den Schlüssel der Istanbul-Konvention zugrunde, des Abkommens des Europarats gegen Gewalt gegen Frauen, fehlen hierzulande rund 14.000 Plätze in Frauenhäusern.

Ein bedarfsgerechter Ausbau wäre also teuer. Eine „ausreichende Finanzierung“ von Schutzplätzen, Beratung, Prävention und Täterarbeit aber sei „längst überfällig“, schreiben die NGOs. Nur so werde sich zeigen, „wie viel das Leben einer Frau in Deutschland wirklich wert ist“.

Der Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt müsse zur Priorität gemacht werden, fordern die Organisationen – und das noch in dieser Legislaturperiode. Die Zeit dürfte auch der Grund sein, warum der Druck aus der Zivilgesellschaft nun derart steigt: Sollte der Gesetzentwurf dieses Jahr nicht mehr vorgelegt werden, wird es eng für eine Verabschiedung durch die Ampelkoalition. Aus Kreisen der Grünen hieß es am Mittwoch, der Gesetzentwurf sei zunächst in der Fraktionssitzung vorgestellt worden. Die Hoffnung bestehe, dass er „zügig“ in die Ressortabstimmung komme. Eine Sprecherin des Bundesfamilienministeriums sagte der taz, der Entwurf werde derzeit „regierungsintern beraten“.

25 Sep 2024

LINKS

[1] https://www.frauenbund.de/aktuelles/offener-brief-gewaltschutz/
[2] https://www.frauenhauskoordinierung.de/aktuelles/detail/offener-brief-versprechen-einloesen-angekuendigtes-gewalthilfegesetz-muss-jetzt-kommen

AUTOREN

Patricia Hecht

TAGS

Feminismus
Gewalt gegen Frauen
Ampel-Koalition
Schwerpunkt Femizide
Gegenwartsliteratur
Sexualisierte Gewalt
Gewalt gegen Frauen
Schwerpunkt Femizide
Gewalt gegen Frauen
Schwerpunkt Femizide

ARTIKEL ZUM THEMA

Autorin über häusliche Gewalt: „Im Widerstand gegen das Schweigen“

Aus wissenschaftlicher, aber auch ganz persönlicher Perspektive erzählt Barbara Peveling, warum häusliche Gewalt uns alle betrifft.

Gewalt gegen Frauen: Und die Politik schweigt

Dank des Muts von Gisèle Pelicot sprechen wir endlich wieder über sexualisierte Gewalt. Es ist Zeit, dass die Politik ihrer Verantwortung nachkommt.

Gewalt wegen Frauenhass: Mehr als 30 Verletzte

Weil seine Frau sich von ihm getrennt hat, soll ein Mann in Essen mehrere Brände gelegt haben. Dann rammte er gezielt Geschäfte mit einem Lieferwagen.

Femizide in Berlin: Täter lassen sich nicht wegfesseln

Nach erneuten Femiziden in Berlin plädiert die Justizsenatorin für Fußfesseln. Die Diskussion offenbart das staatliche Versagen beim Gewaltschutz.

Gewalt gegen Frauen: Frauenschläger machen keine Ferien

Die Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen stellt einen enormen Anstieg Hilfesuchender fest. Plätze in Frauenhäusern sind jedoch Mangelware.

Berliner Opfer von Femiziden: Wenn der Staat versagt

In Berlin wurden binnen vier Wochen vier Frauen Opfer von Femiziden. Beim Kampf gegen patriarchale Gewalt zögert der Staat aus Sorgen um Datenschutz.