taz.de -- Kanzler-Kandidat der Union: Nur Merz kann Merz noch stoppen

Friedrich Merz marschiert geradewegs auf das Kanzleramt zu. Allerdings kommt er bei Frauen und liberaleren Unionswählern nicht so gut an.
Bild: Friedrich Merz: Die politische Realität eines vielfältigen Deutschland könnte ihn einholen

Eine Überraschung ist es nicht, eine Nachricht schon: CDU-Chef Friedrich Merz wird als Kanzlerkandidat der Union im kommenden Jahr in den Bundestagswahlkampf ziehen. [1][CSU-Chef Markus Söder] überlässt dem Häuptling der Schwesterpartei die Spitzenkandidatur. Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst hatte schon tags zuvor seinen Verzicht erklärt. Damit ist die lange offene K-Frage in der Union jetzt entschieden. Merz hat sich auf ganzer Linie durchgesetzt.

Damit hat er das nächste Etappenziel erreicht und sein Comeback vollendet. Merz ist in der Union jetzt der unangefochtene Leitwolf. In der CDU hat er sein Rudel um sich geschart und mit Carsten Linnemann eine Kopie seiner selbst als Generalsekretär installiert. Er hat die Konkurrenten Hendrik Wüst und Daniel Günther auf ihre Plätze verwiesen, das Erbe von Angela Merkel erfolgreich abgeräumt und mit seinem harten und unversöhnlichen Kurs in Migrationsfragen jetzt auch Markus Söder hinter sich gebracht.

In seiner Partei geben so schneidige Typen wie [2][Jens Spahn], Thorsten Frei und Philipp Amthor den Ton an. Die CDU wirkt heute männlicher und konservativer, zugleich weniger modern und weniger vielfältig als zuvor. Bisher geht dieses Retro-Konzept auf. Die AfD hat Merz damit zwar nicht halbiert, wie er es großspurig als Ziel anvisierte, als er sich 2018 das erste Mal um den Parteivorsitz bewarb. Diesen Anspruch hat er längst aufgegeben.

Kommt mit seinem Retro-Kurs nicht so gut an

Aber in den Umfragen liegt die Union, dank der Schwäche der Ampelparteien, trotzdem weit vor allen anderen. Wenn es dabei bleibt, dürfte der nächste Kanzler Friedrich Merz heißen. Was könnte ihm noch im Weg stehen? Wenn Markus Söder diesmal die Füße stillhält, dann vor allem Merz selbst. Denn der Sauerländer kommt bei jungen Wählern und dem liberalen, grün-affinen und großstädtischen Bürgertum nicht so gut an wie bei seiner Parteibasis.

Der kalte Ton, mit dem er Kritiker abkanzelt, erinnert an Oberlehrer aus dem vergangenen Jahrhundert. Ein Typ, der die Herzen der weiblichen Wählerschaft höher schlagen lässt, wird er wohl nicht mehr werden. Das sind seine Schwachpunkte. Als Oppositionsführer ist es zudem einfach, klare Kante zu zeigen. Doch im Westen regiert die Union in drei Bundesländern mit den Grünen. [3][Im Osten muss sie jetzt mit dem BSW verhandeln], wenn sie die Brandmauer zur AfD aufrechterhalten will.

Und im Bund müsste sie wohl mit SPD oder den Grünen koalieren – vielleicht sogar mit beiden. Die politische Realität ist in Deutschland vielfältiger, als es Merz mit seinem Retro-Kurs wahrhaben will. Diese Realität könnte ihn einholen.

17 Sep 2024

LINKS

[1] /Merz-wird-Kanzlerkandidat-der-Union/!6037469
[2] /Aufarbeitung-der-Coronazeit/!6026123
[3] /Brombeerkoalitionen-aus-CDU-und-BSW/!6032265

AUTOREN

Daniel Bax

TAGS

Friedrich Merz
CDU/CSU
Kanzlerkandidatur
Markus Söder
GNS
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
CDU/CSU
Markus Söder
CDU/CSU
Friedrich Merz
Friedrich Merz

ARTIKEL ZUM THEMA

Vorgezogene Bundestagswahl: Ist Scholz noch der richtige Kandidat?

Am 23. Februar 2025 wird in Deutschland gewählt – mit Olaf Scholz als Kanzlerkandidat für die SPD? Ein Pro und Contra.

Union-Absage an Schwarz-Grün: „Ein bisschen Neunziger“

Minister Habeck kommentiert die vorläufige Absage von CDU-Chef Merz gelassen. Andere Grüne wollen eher in die Opposition, als mit ihm regieren.

Markus Söder und die K-Frage: Kein Kater im Kloster

Der CSU-Chef ist wieder in Bayern und wird mit Applaus empfangen. In einer wichtigen Frage sieht er Friedrich Merz auf seinem, Söders Weg.

Merz wird Kanzlerkandidat der Union: Söder krönt Merz zum Kandidaten

CDU und CSU ziehen mit Friedrich Merz als Spitzenkandidat in den Bundestagswahlkampf 2025. Das gab CSU-Chef Markus Söder am Dienstag bekannt.

Kanzlerkandidatur der CDU/CSU: Wüst wählt Merz

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst will nicht Kanzlerkandidat der Union werden und stattdessen CDU-Chef Merz unterstützen. CSU hält K-Frage weiter offen.

Merz, Söder und die K-Frage: Alt und unerfahren

Hofft man darauf, dass die Union nicht so stark vom Ampel-Versagen profitiert, wie sie könnte, ist Merz, nicht Söder der Traum-Kanzlerkandidat.