taz.de -- Comics über den Tod: Plaudern mit dem Sensenmann

Zwei Comics im Kibitz Verlag nehmen sich auf unterschiedliche Weise der Begegnung mit dem Tod an. Für ein junges Publikum taugen beide.
Bild: Minimalistisch mürrisch: Murr, die Titelfigur in Josephine Marks Comic

Leicht hat er’s nicht, der Sensenmann. Immer dieses Rumgeheule, wenn er auftaucht, sein Arbeitsgerät im Anschlag! So geschieht es ihm auch bei dem berüchtigten Banditen Murr. Irgendwo im Wilden Westen balanciert dieser – „Spiel mir das Lied vom Tod“ lässt grüßen – unter einem Torbogen auf einem Pferderücken. Bis sich der Strick um seinen Hals zuzieht, kann es nicht mehr lange dauern. „Da fehlt doch noch ein halbes Leben!“, fleht er den Tod an, der mit Blick auf Murrs nackten Körper skeptisch erwidert: „Sehr großzügig gerechnet, wenn ich mir das so ansehe.“

Zum Glück stellt sich die Sache dann als ein bloßes Missverständnis heraus. Aber es gibt einen Haken: Weil Murr sich nun seiner Sterblichkeit bewusst ist, weicht ihm der Tod nicht mehr von der Seite. Das zerrt, besonders wenn eine Schießerei ansteht, ganz schön an den Nerven. Was also tun? Helfen würde es, meint der Tod, jemanden so richtig gern zu haben, denn: „Wer liebt, fürchtet den Tod nicht.“ Sein „Zielobjekt“ darf Murr sich selbst aussuchen. Da fällt ihm ein, dass es zumindest ein Wesen gibt, dass ihm sehr am Herzen liegt: sein treuer Schimmel Sam.

Es sind die letzten, großen Fragen, die [1][Josephine Mark in ihrem Comic aufwirft. Wie in dem 2022 erschienenen Band „Trip mit Tropf“] versteht sie es, ernste Themen auf zugleich humorvolle und kluge Weise zu verhandeln. Den ewig schlecht gelaunten Murr, der eigentlich Murphy heißt, lässt sie wie eine komische Allegorie des Mürrischseins umherziehen. Seine Augen sind meist nur ein nach unten gebogener Strich, der Mund fehlt oft ganz, und der Schnurrbart ist ein umgekehrtes U. Ebenso minimalistisch zeichnet Mark den Tod, dessen Gemütslagen sie allein über die unterschiedliche Formung seiner leeren Augenhöhlen vermittelt.

Wie in einem Horrorcomic alter Schule sieht der Tod dagegen in „Ich und Tod Detektei“ aus: Er ist ein Skelett, das sich in einen weiten, schwarzen Kapuzenumhang hüllt. Seine Sense hat er jedoch abgelegt; sie war ihm „auf die Dauer zu unhandlich“. Außerdem ist ihm ziemlich langweilig, da er nur Menschen erscheint, die mit seinem Kommen rechnen. In modernen Zeiten ist dies immer seltener der Fall.

Dem ungefähr zwölfjährigen Lukas ist er begegnet, als dieser vor fünf Jahren beim Klettern in einer Klosterruine von einer Mauer abstürzte. Lukas verlor das Bewusstsein; als er wieder erwachte, war er unverletzt, aber der Tod saß neben ihm. Seitdem besucht ihn die gruselige, aber freundliche Gestalt ab und zu, um ein wenig zu plaudern.

Eine ausgefranste Seele

Zu einem ungewöhnlichen Team werden er und Lukas, als Johann, ein großväterlicher Freund des Jungen, tot in einem Weiher treibt. Von einem Unfall ist die Rede, aber der Tod weiß es besser. Johanns Seele, so hat er gesehen, war, als sie den Körper verließ, an den Rändern „ausgefranst“ – ein eindeutiges Zeichen dafür, dass der alte Mann nicht auf natürliche Weise aus dem Leben geschieden ist, sondern umgebracht wurde. Gemeinsam gehen Lukas und der Tod auf Mörderjagd und stoßen auf lang zurückliegende Ereignisse, die bis in die Gegenwart nachwirken.

Anders als „Murr“ ist „Ich und Tod Detektei“ nicht philosophisch grundiert. [2][Patrick Wirbeleit, der auch den tollen Kindercomic „Kiste“] schreibt, kombiniert vielmehr zwei in der Jugendliteratur seit jeher beliebte Motive. Es geht um die detektivische Aufdeckung eines Geheimnisses; zugleich variiert der Tod die vertraute Gestalt des starken, ungewöhnlichen Freundes, an dessen Seite die kindliche Hauptfigur ihre Abenteuer erlebt.

Die Zeichnungen Matthias Lehmanns sind hübsch anzusehen, vergleicht man sie mit „Murr“, allerdings auch sehr glatt geraten. Eines verbindet dafür beide Comics: Wie alle Titel, die im vorzüglichen Kibitz Verlag erscheinen, richten sie sich primär an ein junges Publikum, können Erwachsenen aber genauso viel Vergnügen bereiten.

21 Aug 2024

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AUTOREN

Christoph Haas

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