taz.de -- Ukrainischer Vorstoß in Kursk: Selenskyjs Durchhalteparole

Trotz schwieriger Situation im Donbass ist die ukrainische Armee in russisches Gebiet vorgedrungen. Der Überraschungserfolg ist vor allem ein Signal nach innen.
Bild: Gespannte Lage in Region Kursk nach ukrainischen Attacken

Die Ukraine ist immer noch für eine Überraschung gut – trotz einer äußerst schwierigen Situation im Donbass, einer zu großen Teilen zerstörten kritischen Infrastruktur, überschaubarer personeller Ressourcen in der Armee sowie zögerlicher Waffenlieferungen der westlichen Verbündeten: Berichten zufolge sollen ukrainische Soldaten [1][in das russische Gebiet Kursk], das an die Ukraine grenzt, vorgedrungen sein. Dort wurde der Notstand ausgerufen, die Kämpfe dauern seit drei Tagen an.

Die von Präsident Wladimir Putin als „Provokation“ bezeichnete Offensive, die Kyjiw bisher nicht kommentiert, wirft einige Fragen auf – nicht zuletzt die, was genau die Ukraine mit diesem Vorstoß militärisch bezweckt und wie er das weitere Kampfgeschehen beeinflussen könnte.

Einige Konsequenzen der jüngsten Entwicklungen sind – gleichwohl nicht frei von Spekulationen – jedoch absehbar: Ihre Stimme erheben dürften diejenigen, die die Worte „russischer Aggressor“ nur mühsam über die Lippen bringen, dafür aber umso lauter für Verhandlungen mit Moskau plädieren.

Dabei ist, seitdem Drohnen aus der Ukraine Ziele auf russischem Territorium zerstören, klar, dass die Grenzen zwischen dem völkerrechtlich gedeckten Recht auf Selbstverteidigung [2][und Angriffshandlungen fließend sind].

Russland hat seine Grenzen nicht unter Kontrolle

In der Ukraine könnten viele Menschen die „Aktion Kursk“ als Durchhalteparole wahrnehmen. Als solche ist sie nicht zu unterschätzen, angesichts der Tatsache, dass laut Umfragen ein wachsender Teil der Bevölkerung [3][sogar zu Gebietsabtretungen bereit wäre], damit der Wahnsinn ein Ende hat.

Und Russland? Moskau hat die Grenzen offensichtlich doch nicht lückenlos unter Kontrolle und ist nicht der Lage, die Menschen vor den mörderischen Auswirkungen seiner „Spezialoperation“ zu schützen. Diese auszuweiten hat jetzt Putins Mann fürs verbal Grobe, Ex-Kremlchef Dmitri Medwedjew, gefordert. Ob und was daraus folgt oder ob es beim üblichen Säbelrasseln bleibt, wird sich zeigen.

9 Aug 2024

LINKS

[1] /Offensive-des-ukrainischen-Militaers/!6028853
[2] /Angriff-hinter-der-russischen-Front/!6028681
[3] /Selenskyj-und-moegliche-Verhandlungen/!6024179

AUTOREN

Barbara Oertel

TAGS

Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Russland
Wolodymyr Selenskij
Offensive
GNS
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine

ARTIKEL ZUM THEMA

Russischer Angriffskrieg gegen Ukraine: Auf der anderen Seite

Im russischen Kursk heulen seit dem Vormarsch der ukrainischen Armee die Sirenen im Stundentakt. Über eine Stadt, die nicht weiß, wie ihr geschieht:

+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Russland evakuiert mehrere Regionen

Russland hat nach ukrainischen Angriffen in einer zweiten Region Evakuierungen angeordnet. 121.000 Menschen sollen die Region Kursk verlassen haben.

Vormarsch auf russisches Kursk: Kyjiw setzt Moskau unter Druck

Der ukrainische Präsident Selenskyi will den Krieg auf russisches Territorium verlegen. Russland reagiert mit Luftschlägen auf die Zivilbevölkerung.

Russland beschießt Supermarkt: Tote bei Angriff in Ostukraine

Mindestens zehn Menschen sterben bei einem russischen Raketenangriff. Der ukrainische Präsident Selenskyj verspricht, Russland zur Rechenschaft zu ziehen.

Offensive des ukrainischen Militärs: „Den Feind destabilisieren“

Ukrainische Streitkräfte greifen die westrussische Grenzregion Kursk an. Dass auch ein Kernkraftwerk umkämpft sein könnte, sorgt Anwohner.

Angriff hinter der russischen Front: Drohnenjagd mit der „Baba Jaga“

Kampfdrohnen aus eigener Produktion erlauben es der Ukraine, tief hinter der Front russische Positionen zu zerstören. Besuch bei einer Drohnenbrigade.

Selenskyj und mögliche Verhandlungen: Begrenzt offen

Wolodymyr Selenskyj signalisiert Bereitschaft, Gebiete abzutreten, wenn die Bevölkerung das will. Es wäre ein Freibrief für Putin zum Weitermachen.