taz.de -- Die Ukraine vor ihrem EM-Auftakt: Appell eines Heimatlosen

Mit einem eindrucksvollen Video bitten die Ukraine um Unterstützung. Mit eindrucksvollen Bildern kommt der Krieg dem Turnier ganz nah.
Bild: Ernst: Mykola Shaparenko im Video des ukrainischen Verbands

Berlin taz | Mykola Schaparenko ist zum zweiten Mal bei einer EM dabei. Der Mittelfeldspieler von Dynamo Kyjiw stand auch 2021 schon im Kader der ukrainischen Nationalmannschaft. Doch diesmal ist vieles anders. Sportlich spielt er in der Auswahl meistens die Rolle eines Ergänzungsspielers. Vor dem ersten Spiel der Ukraine gegen Rumänien am Montag in München (15 Uhr, ZDF) gehört der 25-Jährige indes zu den Protagonisten.

In einem erschütternden Video, das der Ukrainische Fußballverband [1][via Instagram] publiziert hat, stellt er sich und seine Heimatstadt vor – neben den großen Stars des Teams wie Andryj Lunin von Real Madrid oder Oleksandr Zinchenko vom FC Arsenal. Die nennen ihren Namen und zu Bildern zerstörter Häuser den Namen ihrer Geburtsstädte in der Region Charkiw beziehungsweise Schytomyr.

Dann spricht ihr Mannschaftskamerad: „Ich heiße Mykola Schaparenko. Ich komme aus Welyka Nowosilka, komplett zerstört von Russland.“ Der Name des Ortes im Gebiet Donezk dürfte auch jenen, die das Kriegsgeschehen in der Ukraine aufmerksam verfolgen, nicht allzu viel sagen. Es ist eine jener Gemeinden, in denen nach dem russischen Überfall und nach der ersten Gegenoffensive der Ukraine kaum ein Stein auf dem anderen geblieben ist. Wer bei Wikipedia nachschlägt, wird erfahren, dass der Ort 5.600 Einwohner hat. Hatte – muss es wohl besser heißen.

Auch den Klub, bei dem Mykola Schaparenko ausgebildet worden ist, gibt es nicht mehr. Der FK Mariupol löste sich kurz nach dem Beginn der russischen Totalinvasion auf. Für Mariupol debütierte der hochbegabte Mittelfeldspieler im zarten Alter von 16 Jahren in der ersten ukrainischen Liga. Und bald wurde er zum zweitjüngsten Spieler, der in der höchsten Spielklasse je ein Tor erzielt hat. Kein Wunder, dass er schnell vom Hauptstadtklub Dynamo Kyjiw angeheuert wurde.

In dem Video, mit dem [2][der Ukrainische Fußballverband] um Unterstützung für sein Team wirbt, sind etliche [3][Bilder der Zerstörung] zu sehen, auch von zerstörten Stadien. Ein Schriftzug wird eingeblendet. „Unsere Heimatstädte wären auch gerne Gastgeber der Euro.“ Und weiter: „Doch jetzt kämpfen sie nicht für die Euro, sondern für die Freiheit.“ Am Ende kommt dann noch der eindringliche Appell: [4][„Support Ukraine!“]

16 Jun 2024

LINKS

[1] https://www.instagram.com/uafukraine/
[2] /Vor-der-Maennerfussball-EM/!6013534
[3] /Ukraine-Fans-bei-EM-2024/!6013777
[4] /Ukraine-Wiederaufbaukonferenz/!6015066

AUTOREN

Andreas Rüttenauer

TAGS

Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Fußball
Ukraine
GNS
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Schwerpunkt Europawahl
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine

ARTIKEL ZUM THEMA

Vor dem Gruppenfinale der Ukraine: Ohne Generator kein Tor

Spiele der Ukraine in der Kneipe zu verfolgen, ist in Kyjiw alles andere als einfach. Auch wegen der Auftaktpleite ist die Stimmung eher mau.

Vor der Männerfußball-EM: Mehr als ein Spiel in Moldau

Die Ukraine gewinnt ihr letztes Testspiel gegen die Auswahl der Republik Moldau. Warum ein unbedeutender Kick ein politisches Ereignis sein kann.

Ukraine-Fans bei EM 2024: Die Powerbanks sind aufgeladen

Die Ukraine kann der Welt bei der EM zeigen: Wir leben, wir kämpfen, wir gewinnen. Ihre Fans müssen schwierigen Bedingungen trotzen.

Fußball in der Ukraine: Tore nach Europa

Im letzten Moment schaffte die Ukraine einen 2:1-Sieg über Bosnien und Herzegowina. Nun hofft das Land auf eine Teilnahme an der Fußball-EM.