taz.de -- Berliner Abgeordnetenhaus: Evers’ glücklicher Sisyphos

Der Finanzsenator von der CDU wird im Parlament mit Blick auf Berlins Haushaltsmisere philosophisch. Bei der bleibt vieles unklar.
Bild: Er hat steht gerade wegen der Haushaltsmisere vor einer echten Sisyphosarbeit: Finanzsenator Stefan Evers (CDU)

Berlin taz | So schlimm ist die Lage also. „Man muss sich Sisyphos hier als glücklichen Menschen vorstellen“, sagt Finanzsenator Stefan Evers (CDU), als es am Mittwoch im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses um die milliardenschwere Haushaltsmisere geht. Sisyphos, der Inbegriff nie endender Plackerei: In der griechischen Sagenwelt ist er verdammt, einen Stein bergauf zu wälzen, der immer wieder nach unten rollt.

Gut möglich, dass sich der kunstsinnige Evers auch in der existenzialistischen Mythos-Interpretation von Albert Camus wiederfindet: Sisyphos als glücklicher Mensch, der seine Daueraufgabe gefunden hat. Rund 5 Milliarden Euro sollen bis 2026 aus dem 40-Milliarden-Haushalt raus. Auf Bundesebene zerlegt sich die Ampelkoalition [1][wegen 20 von rund 480 Milliarden] – anteilsmäßig nur ein Drittel dessen, um das es im Land Berlin geht. In der Zahlenwelt des Ausschusses ist meist wenig Platz für philosophische Überlegungen, und so bleibt es bei diesem einen Evers-Satz dazu. Er hat ja auch so genug zu beantworten: der neuerliche Nachtragshaushalt, die Steuerschätzung, der Versuch, vom Klimasondervermögen noch etwas zu retten. Und die Schuldenbremse.

Grüne und Linkspartei sind offenbar mit der Erwartung in die Sitzung gegangen, dass auch die schwarz-rote Koalition [2][einem Antrag zur Reform der Schuldenbremse] zustimmt. Immerhin hatten sich in einer Ausschussanhörung im April mehrere hochkarätige Experten dafür ausgesprochen. Eine Reform hatte auch Regierungschef Kai Wegner angemahnt und sich damit gegen seinen CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz gestellt. Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht das geplante Klimasondervermögen des Bundes gestoppt Doch die Forderung, das Land Berlin möge sich für einen Reformprozess einsetzen, scheitert am Mittwochmittag: CDU und SPD lehnen den Antrag ab, auch die AfD stimmt dagegen.

Keine Wundertüte mit Geld

Dafür, dass Grüne und Linke seit Monaten vergeblich [3][auf eine Regierungserklärung Wegners zur Haushaltslage drängen] und bislang auch keine große Debatte dazu durchsetzen konnten, verläuft die Ausschusssitzung ruhig und kollegial. Die Fragen von Steffen Zillich (Linkspartei) und André Schulze (Grüne) sind auf den Punkt, Häme oder Ironie bleibt aus, auch wenn die Antworten von Finanzsenator Evers zeigen, wie offen die Lage ist. Unklar bleibt auch, ob tatsächlich alle Senatsressorts der Aufforderung nachkommen, 2 Prozent ihres Budgets einzusparen. Ursprünglich waren 5,9 Prozent vorgesehen, die Differenz sollen Stopps bei Stellenbesetzungen bringen.

Panta rhei, alles fließt, könnte Evers im Grunde nachlegen, wenn er mit Sisyphos schon bei altgriechischen Texten ist. Stattdessen kündigt er an, bis zum Sommer mehr Klarheit präsentieren zu können. Auf eine Weise, das sagt er jetzt schon, wird das allerdings nicht gehen: „Nicht mit einer Wundertüte, die Geld vom Himmel regnen lässt.“ So richtig glücklich wirkt er dabei nicht. Aber anders als Sisyphos hat er sich sein Schicksal ja ausgesucht und ist nicht dazu verdammt, Finanzsenator zu sein.

29 May 2024

LINKS

[1] /Debatte-um-Alterssicherung/!6009622
[2] https://www.parlament-berlin.de/adosservice/19/Haupt/vorgang/h19-1361-v.pdf
[3] /Plenarsitzung-im-Abgeordnetenhaus/!6002085

AUTOREN

Stefan Alberti

TAGS

Stefan Evers
Haushalt
Abgeordnetenhaus
Bibel
Abgeordnetenhaus
Schwarz-rote Koalition in Berlin
Stefan Evers
Kai Wegner
Schwarz-rote Koalition in Berlin

ARTIKEL ZUM THEMA

Haushaltmisere in der Hauptstadt: Berlins Hiob und seine Botschaften

Für die Landesfinanzen mit ihrem Milliardenloch wird es durch den Zensus noch schlimmer. Damit klarkommen muss erst mal Finanzsenator Evers (CDU).

Spardebatte im Berliner Abgeordnetenhaus: Koalition verteidigt Sparkurs

Im Parlament bereitet Finanzsenator Stefan Evers (CDU) Berlin darauf vor, mit weniger Geld im Haushalt auszukommen. Die Opposition übt scharfe Kritik.

Ausgabenkürzungen in Berlin: Koalition einigt sich auf Sparliste

Nach langem Hickhack verständigt sich Schwarz-Rot darauf, welche Ausgaben in welcher Senatsverwaltung 2024 gekürzt werden können.

Milliardeneinsparungen im Landeshaushalt: „Nur scheinbar Geld im Überfluss“

Finanzsenator Stefan Evers (CDU) drängt nach immer weiter gestiegenen Ausgaben im Landeshaushalt auf einen Mentalitätswechsel.

Plenarsitzung im Abgeordnetenhaus: Auf den Spuren von Klaus Wowereit

CDU und SPD drücken sich im Parlament vor Haushaltsdebatte. Finanzsenator drängt auf „Mentalitätswechsel“. Das gab es schon bei der Bankenkrise 2001.

Berliner Senat debattiert Haushaltslage: Katerstimmung nach Etateinigung

Die schwarz-rote Koalition meint zwar, einen Weg zur Rettung des Landeshaushalts 2024/2025 gefunden zu haben. Begeistert sind davon aber nicht alle.