taz.de -- Ex-Insider fordert Orban heraus: Massenproteste in Budapest

Peter Magyar wirft der Regierung Orban Machtmissbrauch und Korruption vor. Er mobilisiert Tausende Anhänger:innen auf den Straßen Budapests.
Bild: Proteste gegen Ministerpräsident Orban am Samstagnachmittag in der ungarischen Hauptstadt Budapest

Budapest dpa | Zehntausende Ungarn haben am Samstag in Budapest gegen die Regierung des rechtspopulistischen Regierungschefs Viktor Orban demonstriert und Neuwahlen gefordert. Aufgerufen zu einer der größten Protestkundgebungen der letzten Jahrzehnte hatte der ehemalige [1][Politik-Insider Peter Magyar], der sich erst kürzlich zum Orban-Kritiker gewandelt hatte.

„Die Regierung möge die Macht zurück in die Hände des Volkes legen und ihm die Wahlmöglichkeit geben“, sagte Magyar in einer knapp einstündigen Ansprache. Magyar war mit der ehemaligen Justizministerin Judit Varga verheiratet und hatte selbst Führungsposten in staatlichen und staatsnahen Institutionen und Unternehmen bekleidet. Im Februar hatte er überraschend mit seinem bisherigen politischen Umfeld gebrochen. Unmittelbarer Anlass war seiner Darstellung nach die Affäre um die Begnadigung eines Pädophilen-Helfers, die zum Rücktritt von Staatspräsidentin Katalin Novak sowie dem Ende der politischen Laufbahn seiner Ex-Frau geführt hatte.

Seit seinem öffentlichen Auftreten als Kritiker der Orban-Regierung wirft Magyar dem Umfeld des [2][Regierungschefs Korruption und Machtmissbrauch] vor. Zur Untermauerung seiner Anschuldigungen veröffentlichte er im Vormonat den Mitschnitt eines Gesprächs, das er Anfang des Vorjahres mit Varga geführt hatte, als sie Justizministerin und er noch mit ihr verheiratet war. Darin schildert die Politikerin, wie Gefolgsleute von Orbans mächtigem Kanzleiminister Antal Rogan in staatsanwaltliche Ermittlungen eingegriffen und den Minister belastende Stellen aus den Akten getilgt haben sollen.

Varga bestritt die Authentizität des Gesprächs nicht, behauptete aber, von Magyar zu Aussagen manipuliert und genötigt worden zu sein, die inhaltlich nicht stimmten. Auf der Kundgebung am Samstag rief Magyar in die Menge: „Wir fordern unser Land und unsere nationalen Symbole zurück!“ Er ermutigte die Menschen, sich in seiner neuen Bewegung „Auf, auf, Ungarn!“ zu engagieren.

Bei der Europawahl am 9. Juni kann Magyar mit keiner eigenen Partei antreten, weil er mit einer Parteigründung die Fristen nicht einhalten kann. Er verhandle aber mit existierenden Parteien, um ein Antreten zu ermöglichen. Das Ergebnis der Europawahl in Ungarn werde „zum ersten Sargnagel“ für das Orban-System, fügte Magyar hinzu.

7 Apr 2024

LINKS

[1] /Anti-Regierungsproteste-in-Ungarn/!6001202
[2] /Russische-Desinformation/!6000119

TAGS

Ungarn
Viktor Orbán
Demonstration
Schwerpunkt Europawahl
Ungarn
Schwerpunkt Pressefreiheit
Ursula von der Leyen
Rechtsruck

ARTIKEL ZUM THEMA

Ungarische Autoren über Kulturbetrieb: „Staat kontrolliert Buchhandlungen“

Der ungarische Kulturbetrieb wird zentralisiert. Die Autoren Dénes Krusovszky und Ferenc Czinki über parallele Kulturministerien und gestrichene Fördermittel.

Russische Desinformation: Fake Voices of Europe

Die Slowakei wählt einen neuen Präsidenten. Begleitet wird die Wahl von Einflussnahme aus Russland, die höchste politische Kreise erreicht.

Kritik an Ungarn-Geldern: Von der Leyen muss mit Klage rechnen

Hat sich EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen von Ungarn erpressen lassen, um der Ukraine zu helfen? Das EU-Parlament will Klarheit und klagt.

Rechtsruck in Europa: Europäischer Wettstreit um Ängste

Österreich, Niederlande, Griechenland, Italien: Fast überall in der EU erhält die extreme Rechte Aufwind. Das wird auch die Europawahlen beeinflussen.