taz.de -- Revolutionäre 1. Mai-Demo: Wider die Einheitsfront

Die 18-Uhr-Demo wird im Zeichen des Nahost-Konflikts stehen, das zeigt das Demo-Plakat. Mit dabei sind Gruppen, die das Hamas-Massaker relativierten.
Bild: Revolutionäre 1. Mai-Demo 2023

Es ist so eine Art Berufskrankheit von Linken, in Szenestreits auf maximale Konfrontation zu setzen, statt gemeinsam gegen den eigentlichen Gegner vorzugehen. Das dürfte sich auch auf dem diesjährigen [1][Revolutionären 1. Mai] zeigen, der wohl im Zeichen des Nahostkonflikts stehen wird. So legt es ein am Dienstag veröffentlichtes Plakat nahe, mit dem das Demobündnis für den Tag [2][zum U-Bahnhof Südstern mobilisiert].

Im Retrocharme kommunistischer Propagandaplakate aus Weimarer Zeiten sind darauf drei Aktivist:innen zu sehen, womöglich KI-generiert. Zwei schwenken rote Fahnen, die dritte einen Hammer. Die vordere Aktivist:in ist eine PoC, trägt Kufiya und Sneakers und ist gerade dabei, einen der Panzer zu zermalmen. Die Antextung klassisch: „Konzerne enteignen, Kriegstreiber entwaffnen, Kapitalismus zerschlagen!“ Und auf einer der Fahnen: „Heraus zum 1. Mai!“

Nun könnte der Zeitpunkt für Palästinasolidarität kaum besser sein. Ohne die deutschen Waffen wären die israelischen Massaker in Gaza wohl nicht möglich. Doch die herrschende Politik stellt lieber Palästinenser:innen unter Generalverdacht – statt aufzupassen, sich nicht in schwere Kriegsverbrechen zu verwickeln.

Doch die Auflistung kommunistischer Kadergruppen lässt keine Zweifel zu, in welche Kerbe die Demo schlagen wird. Mit „Young Struggle“ wird dort ausgerechnet jene Gruppe als Erstes genannt, die den Hamas-Überfall auf Israel als „Gefängsnisausbruch“ bezeichnete und deren angekündigte Teilnahme an einer Antifa-Demo in Eisenach kurz darauf zur Absage dieser durch die Veranstalter geführt hatte.

In Berlin finden sich unter den organisierenden Gruppen dagegen noch weitere, die nach dem 7. Oktober mit relativierenden Statements aufgefallen waren. Der Affront gegen andere Teile der Linken könnte nicht größer sein.

Die Zeiten, in denen antiautoritäre Autonome und Anarchist:innen am 1. Mai das Demobild prägten, sie sind wohl vorbei. Das ist schade. Aus diesem Spektrum hätten sich wohl Stimmen finden lassen, die die Kriegstreiber anklagen – ohne sich mit islamistischen Mörderbanden zu verbandeln.

9 Apr 2024

LINKS

[1] /1-Mai-Demo-in-Berlin-Kreuzberg/!5931394
[2] /Wieder-kein-MyFest-in-Kreuzberg/!5999115

AUTOREN

Timm Kühn

TAGS

Schwerpunkt 1. Mai in Berlin
Revolutionäre
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Arbeiterklasse
Schwerpunkt Rechter Anschlag in Hanau
Schwerpunkt 1. Mai in Berlin
Schwerpunkt 1. Mai in Berlin

ARTIKEL ZUM THEMA

Zum Internationalen Arbeiterkampftag: Von Arbeit und Moral

Am 1. Mai wird ein uraltes Arbeitspathos beschworen. So laufen Progressive, Sozialdemokraten und Gewerkschaftlerinnen in die Falle der Rechten.

Hanau-Demo in Neukölln: Gedenken und Konflikt

Tausende Menschen demonstrieren auf der Sonnenallee gegen Rassismus, viele auch für Palästina. Am Ende steht Konfrontation mit der Polizei.

1.-Mai-Demo in Berlin-Kreuzberg: Revolutionärer Abendspaziergang

Rund 15.000 Menschen ziehen am Abend durch Neukölln und Kreuzberg. Die Atmosphäre ist entspannt, die Demo endet früher als gedacht.

Bilanz des Revolutionären 1. Mai: Friedlich, aber nicht unumstritten

Die Revolutionäre 1. Mai-Demo verläuft ruhig, nur am Ende kommt kurz Hektik auf; es gibt 59 Festnahmen. Kritik gibt es an palästinensischen Gruppen.