taz.de -- Neues Gutachten zu Enteignung: Zu teuer oder zu riskant

Der Berliner Rechnungshof hat mal nachgerechnet und hält eine Vergesellschaftung von Wohnungsunternehmen nicht für umsetzbar.
Bild: Eine Vergesellschaftung, wie sie „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ fordert, ist aus Sicht des Landesrechnungshofs nicht machbar

Berlin taz | Der Landesrechnungshof sieht in der Debatte um die Enteignung großer Immobilieneigentümer „keine Möglichkeit, eine Vergesellschaftung mit vertretbaren Risiken umzusetzen.“ Das ist das Fazit eines 24-seitigen Gutachten, [1][das auf der Internetseite der Landesbehörde steht]. Nach deren Überzeugung sind entweder die finanziellen oder die juristischen Risiken zu hoch.

Der Rechnungshof um Präsidentin Karin Klingen hatte nicht auf Bitten von Senat oder Abgeordnetenhaus, sondern von sich aus nachgerechnet, was eine Enteignung tatsächlich bedeuten würde. Das geschah laut Klingen und Kollegen, weil eine Expertenkommission 2023 zwar zu dem Schluss gekommen war, dass ein Vergesellschaftungsgesetz [2][nach Artikel 15 des Grundgesetzes] möglich ist. „Sie nennt jedoch keine konkrete Höhe einer Entschädigungssumme“, heißt es im Gutachten. Außerdem habe die Kommission in ihrem Abschlussbericht keine Betrachtung der Folgekosten vorgenommen.

Der Rechnungshof hat daher zwei Modelle und deren Kosten und Risiken betrachtet: einmal eine Entschädigung nach Verkehrswert – also nach dem, was die bisherigen Eigentümer bekämen, wenn sie ihre Wohnungen auf dem freien Markt verkaufen würden. Dafür wären hochgerechnet 42 Milliarden Euro fällig. Zum anderen eine Enteignung für eine von der Expertenkommission für möglich gehaltenen niedrigeren Summe zwischen acht und elf Milliarden.

Laut Landesrechnungshof würde selbst dieses zweite Modell „unweigerlich zu Defiziten bei der Bewirtschaftung der zu vergesellschaftenden Bestände führen“.

Die müssten entweder durch höhere Mieten oder Zuschüsse aus dem Landeshaushalt ausgeglichen werden. Der aber befindet sich schon jetzt in krisenhaftem Zustand und [3][steht vor Milliarden-Sparzwang]. Und bei höheren Mieten sei eine Vergesellschaftung nicht verhältnismäßig.

5 Mar 2024

LINKS

[1] https://www.berlin.de/rechnungshof/veroeffentlichungen/
[2] https://www.bundestag.de/gg/grundrechte
[3] /SPD-Fraktionsklausur-in-Leipzig/!5988227

AUTOREN

Stefan Alberti

TAGS

Rechnungshof
Deutsche Wohnen & Co enteignen
Enteignung
Rechnungshof
Deutsche Wohnen
Rechnungshof
Stefan Evers
Mieten

ARTIKEL ZUM THEMA

Berlins marode Finanzen: „Der Kurs ist falsch“

Der Rechnungshof kritisiert den auf Schulden setzenden Landeshaushalt. Präsidentin Klingen drängt auf Ausgabenkürzung und vermisst zentrale Steuerung.

Deutsche Wohnen: Wenn es windet, wackeln die Lampen

Seit die Deutsche Wohnen die Verwaltung eines Hauses in Reinickendorf übernommen hat, gerät es in den kalkulierten Verfall. Bewohnerinnen berichten.

Jahresbericht des Landesrechnungshofs: Ein echter Rundumschlag

Präsidentin Klingen hält Landespolitik große Fehlleistungen vor. Regierungschef Wegner (CDU) nennt Schuldenbremse in jetziger Form „gefährlich“.

Vergesellschaftung in Berlin: Prüfen, bis der Arzt kommt

Der schwarz-rote Senat will trotz Expertenkommission noch ein weiteres Gutachten zur Enteignung. Kritiker werten das als Verzögerungstaktik.

Gutachten zu Enteignungen in Berlin: Eigentum „potenziell problematisch“

Nach Einschätzung der Enteignungskommission können Wohnungen in Berlin vergesellschaftet werden. Die schwarz-rote Koalition bleibt skeptisch.