taz.de -- Linken-Abgeordneter über Bundestagswahl: „Das ist schon ein wenig absurd“

Der Linke-Abgeordnete Pascal Meiser über den Verlust seines Mandats durch die niedrige Beteiligung bei der Wiederholungswahl und wie es jetzt weitergeht.
Bild: Konnte an Stimmen zulegen, verliert aber trotzdem sein Bundestagsmandat: Pascal Meiser (Linke)

taz: Herr Meiser, sechs Jahre waren Sie für die Linke und für Friedrichshain-Kreuzberg im Bundestag. Haben Sie schon realisiert, nun raus zu sein?

Pascal Meiser: Es ist schon ein surreales Gefühl. Jeder weiß, dass man Abgeordneter nur auf Zeit ist, aber unter diesen Umständen das Mandat zu verlieren ist schon ein wenig absurd.

Das Mandat ist weg, weil zu wenige Menschen wählen gegangen sind.

Es war uns vorher klar, dass es eine sportliche Herausforderung ist, wieder so viele Menschen zur Wahl zu bewegen. Leider ist vorher öffentlich zu wenig darüber geredet worden, was Berlin bei einer zu geringen Beteiligung droht. Nun guckt die Stadt in die Röhre, hat weniger Einfluss und vier Abgeordnete weniger, die sich um die Sorgen und Nöte der Menschen vor Ort kümmern könnten.

Wieso konnten nicht mehr Wähler:innen motiviert werden?

Alle wussten, die Koalition bleibt die gleiche, der Kanzler bleibt. Das ganz große Entscheidungsmoment hat also gefehlt. Aber es ist verpasst worden, die Bedeutung, die die Wahl dennoch hatte, ausreichend klarzumachen. Dass der RBB etwa entschieden hat, keine Wahlwerbespots der Parteien auszustrahlen, weil diese Wahl für nicht so relevant gehalten wurde, halte ich für einen großen Fehler. Berlin hätte da insgesamt mehr reinhauen müssen.

Sie selbst konnten Ihr Ergebnis um etwas mehr als 1 Prozentpunkt verbessern. Stimmt Sie das zufrieden?

Ich persönlich, aber auch meine Partei konnten auch in meinem Wahlkreis zulegen – darüber freue ich mich. Schon im Wahlkampf hatte ich ein gutes Gefühl; auch weil ich viel Unterstützung von Aktiven aus der Mieterszene und aus den Gewerkschaften erhalten habe, die in mir offenkundig einen solidarischen Partner gesehen haben. Aber diese 18, 19 Prozent bedeuten auch: Da geht mehr. Wir müssen noch viel mehr Menschen für die Linke gewinnen.

In allen Wiederholungswahlkreisen zusammen hat die Linke 0,7 Prozentpunkte zugelegt. Ein Plus hat die Partei schon lange nirgends mehr gesehen. Eine Trendwende?

Das ist ein positives Signal, das uns Mut macht. Wir haben versucht, uns darauf zu konzentrieren, möglichst bürgernah den Menschen vor Ort zuzuhören und deutlich zu machen: Wir sind die erste Adresse, wenn es um den sozialen Zusammenhalt geht. Trotzdem wird es für unsere Partei die nächsten Monate kein Selbstläufer.

Es war wohl die letzte Wahl ohne Konkurrenz durch das Bündnis Sahra Wagenknecht.

Welche Bedeutung ein Antritt dieser Partei haben wird, ist sehr spekulativ. Gesagt haben sie, dass sie keine zweite linke Partei sein wollen, sondern etwas ganz anderes. Und das macht mir schon Sorgen. Für mich steht in den Sternen, wo sich diese Wagenknecht-Partei hinbewegt.

Haben Sie schon Pläne für die Zukunft gemacht?

Vor der Wahl wollte ich nicht zweigleisig fahren, jetzt muss ich in Ruhe sortieren. Wichtig ist mir, wie es mit meinen Mitarbeitern weitergeht, die unverschuldet in eine sehr schwierige Situation geraten sind. Ich will schauen: Was gibt es für sie für Möglichkeiten. Ich persönlich werde mich weiter dafür engagieren, dass es eine starke linke Alternative in diesem Land gibt.

12 Feb 2024

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Erik Peter

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