taz.de -- Neue Regierung in Nordirland: Verpasste Chance

Nordirland hätte eine Sonderwirtschaftszone sein und vom Handel mit zwei Größen profitieren können. So aber blickt alles auf eine irische Vereinigung.
Bild: Irisches Janusgesicht? Nein, die beiden Damen von Sinn Fein: Michelle O'Neill (l.) und Mary Lou McDonald

Nordirland hat [1][wieder eine Regierung]. So weit die gute Nachricht. Aber die Bedingungen, die an die Rückkehr der Democratic Unionist Party (DUP) nach zwei Jahren Boykott geknüpft waren, bedeuten eine verpasste Chance.

Nordirland hätte sich gegen die negativen Folgen des Brexits, der in Großbritannien Verheerungen angerichtet hat, wappnen können. Das Zusatzprotokoll zum Brexit-Vertrag sowie der später ausgehandelte Windsor-Rahmenplan sahen vor, [2][dass Nordirland im EU-Binnenmarkt] und in der Zollunion bleibt, um eine physische Grenze zwischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland zu vermeiden.

Das eröffnete wirtschaftliche Möglichkeiten, die dem Rest des Vereinigten Königreichs verwehrt blieben. Man konnte ungehinderten Handel sowohl mit Großbritannien als auch mit der EU treiben. Eine funktionierende Regierung in Belfast hätte mithilfe dieser Regelung jede Menge ausländischer Großinvestoren anlocken können, denn nirgendwo anders wurde einem das geboten.

Die DUP spielte jedoch nicht mit, weil Nordirland dadurch anders behandelt würde als der Rest des Vereinigten Königreichs. Sie hat sich nicht nur den freien Warenverkehr mit Großbritannien, sondern auch eine „Stormont Brake“, also eine Bremse durch das nordirische Parlament, zusichern lassen. So lässt sich jede Veränderung von EU-Regeln für Nordirland verhindern.

Nordirland konzentriert sich künftig auf den britischen Markt

Bisher traten solche Regeln automatisch in Kraft. Wenn man in Zukunft neue EU-Regeln zur Umwelt, zu Produktvorschriften, zu Hygienestandards nicht übernimmt, wird die EU den Zugang nordirischer Unternehmen zum Binnenmarkt einschränken. Welcher internationale Investor wird sich auf solche Unwägbarkeiten einlassen?

So hat die DUP die Chance auf einen Schub für die nordirische Wirtschaft zugunsten eines symbolischen Akts geopfert. Nordirland konzentriert sich künftig auf den britischen Markt. Doch wenn man so [3][im Gleichschritt mit Großbritannien] in eine Wirtschaftskrise marschiert, könnte die irische Vereinigung an Attraktivität gewinnen.

5 Feb 2024

LINKS

[1] /Nordirland-hat-wieder-eine-Regierung/!5989937
[2] /Politische-Krise-in-Nordirland/!5989271
[3] /Grossbritannien-und-Nordirland/!5962340

AUTOREN

Ralf Sotscheck

TAGS

Schwerpunkt Brexit
Großbritannien
Nordirland
Sinn Fein
Schwerpunkt Brexit
Irland
Irland
Irland
Nordirland
Schwerpunkt Brexit
Irischer Fußball

ARTIKEL ZUM THEMA

Nordirische Protestantenpartei: Stabiler wird`s nicht

Der Chef der nordirischen Democratic Unionist Party Jeffrey Donaldson tritt zurück. Gegen ihn wurde Anklage in Zusammenhang mit Sexualdelikten erhoben.

Neuer Regierungschef in Irland: Durchwurschteln bis zur Wahl

Irland bekommt nach Leo Varadkars überraschendem Rücktritt einen neuen Premier. Die Regierung dürfte sich bis zur Wahl im neuen Jahr indes halten.

Irlands Premier tritt zurück: Schlechte Umfragewerte für Rechte

Der irische Regierungschef Leo Varadkar tritt zurück. Damit zieht er die Konsequenzen aus den miesen Zustimmungsraten seiner Partei.

Verfassungsreferendum in Irland: Klatsche für die Regierung

Die Bevölkerung lehnt die Reformvorschläge der Regierung zum Familienbegriff und zur Rolle der Frau klar ab – trotz Einigkeit der etablierten Parteien.

Nordirland hat wieder eine Regierung: Erstmals Nationalistin an der Spitze

Die Sinn-Féin-Politikerin Michelle O'Neill übernimmt nun die Regierungsgeschäfte in Nordirland. Eine zweijährige politische Krise geht damit vorerst zu Ende.

Politische Krise in Nordirland: Regierung rauft sich zusammen

In Nordirland hebt die Democratic Unionist Party ihren wegen Zollregeln begonnenen Regierungsboykott auf. Doch noch ist nicht alles sicher.

Konfessionskrieg im nordirischen Fußball: Rückzug der Kelten

Am zweiten Weihnachtsfeiertag 1948 endete der Liga-Fußball für Celtic Belfast. Die Anfeindungen aus dem protestantischen Milieu waren zu viel.