taz.de -- Hörspiel über Prostitution: Die fiktive Bordell-Realität

In „Desire“ erzählen fiktive Sexarbeiter*innen von ihrer Arbeit, aber zum Glück nicht nur. Denn ihr Begehren ist so vielfältig wie ihre Sorgen.
Bild: Mehr ist möglich als viele denken

Das Bordell – ein Ort, den die meisten gedanklich mit Sterotypen und Mythen füllen. Hierhin bringt die [1][sechsteilige WDR-Hörspiel-Serie „Desire“] Zuhörende: in den Gemeinschaftsraum zu den Freiern, in die Arbeitszimmer, aufs Amt zur vorgeschriebenen Gesundheitsberatung. Um diese Orte mit Geschichten zu füllen, haben die Macher*innen mit über 30 LGBTQIA+ [2][Sexarbeiter*innen gesprochen]. Und zum Glück für die Serie spiegelt sich diese Vielfalt in der fiktiven Erzählung der Autorin Tia Morgen wider.

Drei Protagonist*innen, Sam (Joy Grant), Lilli (Jasko Fide) und Robin (Newroz Çelik), erzählen im Wechsel aus ihrem Leben. Das liefert mehr Biografien und mehr Perspektiven auf ein Thema, das in der Öffentlichkeit häufig nur schwarz-weiß betrachtet wird.

Sam (Joy Grant) führt seit Jahren eine Beziehung mit ihrem Freund, sie haben ein gemeinsames Kind und trotzdem kann sie eine neue Bekannte nicht vergessen.

Zwischen Terminen schickt sie ihr Sprachnachrichten, während der Arbeit fiebert sie auf das nächste Date hin und die Euphorie des Verliebens trägt die Hörer*innen so sanft durch einzelne Episoden, dass die Auseinandersetzung mit Rassismus und Fetischisierung, die Sam als Schwarze Frau in der Arbeit erlebt, beinahe schon zu wenig schmerzen. Für sie gerade wichtiger: Ihre private Sexualität befindet sich auf dem Prüfstand.

Eigentlich denkbar

Robin benutzt keine Pronomen und fragt sich, wie es weitergehen soll. Die Kunden bemerken langsam Robins Stimmbruch. Eine Mastektomie, eigentlich denkbar, wäre das Aus für Robin im Bordell.

Bei Lilli hingegen dreht sich vieles um finanziellen Druck und Klassenfragen. Sie schildert die Umstände, weswegen sie erst Escort, dann Prostituierte wurde, und die Flauten, wenn tagelang kaum Kundschaft kommt. Und sie zeigt: [3][Die Machtverhältnisse im Bordell] unterscheiden sich gar nicht so sehr von denen draußen.

17 Sep 2023

LINKS

[1] https://www1.wdr.de/mediathek/audio/1live/desire/audio-desire-ueber-sex-arbeit-und-queeres-begehren--meet-lilli-100.html
[2] /Ex-Prostituierte-ueber-Sex/!5452370
[3] /Debatte-um-Prostitutionsgesetz/!5930763

AUTOREN

Johannes Drosdowski

TAGS

Prostitution
Queer
Podcast
Podcast-Guide
Sexuelle Revolution
IG
Sex

ARTIKEL ZUM THEMA

Paulita Pappel über Pornografie: „Einvernehmen ist wie ein Muskel“

Paulita Pappel ist feministische Porno-Produzentin und Buchautorin. Wie sieht ihre Version von einer sexpositiven Welt aus?

Auf dem Straßenstrich in Berlin: Selbstbestimmt und ausgebeutet

Der Verkauf von Sex ist in Deutschland legal. Zuhälter müssen kaum mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Kann ein Sexkaufverbot helfen?

Kolumne Blicke: Unser Kind wird SexarbeiterIn

Aus Kindern werden Leute – und die wollen schnelles Geld und nette Kollegen. Schön, wenn die Eltern bei der Berufswahl mit einbezogen werden.