taz.de -- Rechtsextreme Symbole: Polizisten unter Nazi-Verdacht
Wieder werden Beamte in NRW verdächtigt, sich rechtsextrem geäußert zu haben. Fünf sollen während der Ausbildung Nazi-Symbole versendet haben.
Recklinghausen/Essen dpa | Erneut stehen junge Polizisten in NRW unter Verdacht, während ihrer Ausbildung in Chats Nazi-Symbole ausgetauscht zu haben. Die fünf Beamten im Alter zwischen 22 und 25 Jahren sind laut der zuständigen Essener Staatsanwaltschaft auch verdächtig, ein Video zu besitzen, das in den Bereich der Kinderpornografie falle. Um mögliche Beweise zu sichern, seien am Mittwoch Privaträume und Arbeitsplätze der Beschuldigten durchsucht worden. Die Ermittlungen und Auswertungen dauerten an.
Die Vorwürfe beziehen sich demnach auf einen Tatzeitraum, in dem sich die Männer noch in der Ausbildung befanden. Danach waren drei von ihnen bis zuletzt am Polizeipräsidium Recklinghausen und jeweils einer bei der Polizeibehörde in Kleve am Niederrhein und Borken im Münsterland tätig. Nach dpa-Informationen handelt es sich um Polizeikommissare und Beamte auf Probe.
Das Polizeipräsidium Recklinghausen teilte mit, es seien zudem diskriminierende und menschenverachtende Inhalte in den Chats verbreitet worden. Die Vorwürfe seien derart gravierend, so Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen, dass sie den drei Beamten das Führen der Dienstgeschäfte verboten habe. Solches Gedankengut habe bei der Polizei nichts zu suchen, so Zurhausen.
Mit einem Verbot zum Führen der Dienstgeschäfte ist nach dpa-Informationen zudem der Beamte aus Borken belegt worden. Sein Kollege aus Kleve wurde intern versetzt. Diese beamtenrechtlichen Maßnahmen bezeichnete [1][NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU)] als „im Augenblick die richtige Konsequenz“.
Über hundert ähnliche Fälle in den letzten Jahren
Der Polizeiberuf erfordere ein besonderes Maß an Vertrauen, Achtung, Integrität, so Reul weiter. „Junge Beamte müssen, genau wie ältere, ohne jeden Zweifel für Recht, Gesetz und die Werte unserer Verfassung eintreten. Wer Inhalte verbreitet, wie sie jetzt im Raume stehen, lässt allerdings erhebliche Zweifel an seiner charakterlichen Eignung aufkommen.“ Die strafrechtliche Würdigung sei Angelegenheit der Justiz, bis zum Verfahrensabschluss gelte die Unschuldsvermutung.
Laut Sprecherin der ermittelnden Staatsanwaltschaft Essen gehen die Verdachtsfälle zurück auf ein laufendes Verfahren gegen einen weiteren jungen, inzwischen ehemaligen Polizisten. Er stehe ebenfalls im Verdacht, verfassungsfeindliche Symbole und Kinderpornografie verbreitet zu haben. Er war nach einigen Monaten als junger Kommissar am Polizeipräsidium Recklinghausen wegen charakterlicher Ungeeignetheit entlassen worden, sagte ein Polizeisprecher von dort. Hintergrund seien auch die strafrechtlichen Vorwürfe gegen ihn.
Es sind [2][nicht die ersten Vorfälle dieser Art]. In der nordrhein-westfälischen Polizei sind jüngsten Ministeriumsangaben von Ende Juli zufolge in den vergangenen sechs Jahren 105 rechtsextremistische Verhaltensweisen geahndet worden. Die Zahl der nicht straf- oder dienstrechtlich relevanten Hinweise lag allerdings mit 189 deutlich höher. Die Rechtslage sei so, dass Verhaltensweisen in Chats unter Kollegen als nicht-öffentlich gelten und nur schwer als Volksverhetzung zu verfolgen seien. Dies führe im Ergebnis dazu, dass Polizisten trotz des Postens offenkundig rassistischer oder rechtsextremistischer Inhalte nicht strafrechtlich belangt werden können, hieß es dazu aus dem Innenministerium.
2 Aug 2023
LINKS
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Ein Bundespolizist muss den Dienst quittieren, weil er mit Rechtsextremen chattete und auf der Suche nach NS-Devotionalien nach Norwegen reiste.
Die Ampelkoalition will einen Polizeibeauftragten auf Bundesebene einsetzen. In den Ländern laufe noch viel schief, sagt Polizeiforscher Hartmut Aden.
Fünf Jahre nach den Ausschreitungen von Chemnitz warten Angegriffene auf den Prozessbeginn. Die Hälfte der Ermittlungsverfahren wurde eingestellt.
Bahar Aslan bezeichnet Rechte in der Polizei als „braunen Dreck“. Es folgt ein Shitstorm. Auch NRW beschäftigt sich mit dem Fall.
Mehr als 300 Mitarbeiter in Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern haben einen rechtsextremen Bezug. Das dokumentiert ein Lagebericht des Innenministeriums.
Vor einem Jahr wurden zahlreiche Verdachtsfälle auf Rechtsextremismus unter Polizist:innen in NRW bekannt. Jetzt ist klar: Am Verdacht war oft was dran.