taz.de -- Rave the Planet in Berlin: Crazy und heiß wie eh und jeh
Hunderttausende hopsen auf dem Loveparade-Nachfolger „Rave The Planet“ mit. „Nur“ 150 Sanitätsfälle. Die zuvor skeptische Polizei ist zufrieden.
Berlin taz | Die Sache stand von Beginn an unter keinem guten Stern. Noch bis Samstagmittag – wenige Stunden vor dem Event – war unklar, ob die Techno-Parade Rave The Planet überhaupt starten kann. Potenzielle Besucher*innen zeigten sich auf Instagram verunsichert, ob sie kommen sollen. Am Ende gelang es den Veranstaltern doch, kurzfristig einen Sanitätsdienst zu organisieren u[1][nd die polizeilichen Auflagen zu erfüllen], so dass die Wagen am Samstagnachmittag losrollen konnten.
Zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule schieben sich also die Feiernden hinter den LKW her und stampften zu wummernden Bässen. Doch die Botschaft dieses Rave the Planet irritiert. Fast auf jedem Wagen wird neben kulturpolitischen Forderungen wie „Anerkennung der Technokultur als Immaterielles Kulturerbe der UNESCO“ auch „Abrüstung auf allen Ebenen“ oder „disarmament between all people“ gefordert. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine wird zwar nicht explizit genannt, aber die Assoziation liegt nahe. Das Motto der Veranstaltung lautet schließlich „music is the answer“. Die Antwort auf einen imperialistischen Putin kann Musik allein aber nicht sein.
Auch vergangenes Jahr hatte es Kritik am Techno-Umzug und [2][Veranstalter Dr. Motte] gegeben. Er hatte damals [3][das Logo der „Freedom Parade“ in die Menge gehalten], die durch ihre Nähe zu Querdenker:innen und Verschwörungsideolog:innen aufgefallen war. Auf Twitter war Motte für dafür heftig kritisiert worden, er entschuldigte sich im Nachgang. Es habe sich um eine Verwechslung gehandelt.
Thomas und Jendrik aus Jever im Friesland kümmert all dies nicht. Vater und Sohn sind extra aus der Stadt an der Nordsee angereist, um auf der Parade dabei zu sein. Schon vor 27 Jahren ist Vater Thomas (45) für die Loveparade nach Berlin gereist. Zur Nachfolgerin, dem Rave The Planet, meint er: „Ein paar mehr Menschen könnten es noch sein!“ Aber sonst sei alles wie damals. Auf seinem schwarzen T-Shirt ist vorne das Logo der Loveparade, hinten steht „First Rave 1996“. Sohn Jendrik, 17 Jahre alt, hat das gleiche T-Shirt an, nur steht hinten: „First Rave 2023“. Die Mutter habe die T-Shirts für sie gemacht, erzählen die beiden.
Die üblichen schrägen Vögel
Neben Vater und Sohn aus Jever sind die üblichen schrägen Techno-Vögel zu sehen, die sich bei 30 Grad Celsius jeden Schweißtropfen aus dem Körper tanzen. Von Pferdekopf- oder Affenkopfmaske, Pömpel auf der Glatze über Strohhüte und Hundemasken-Fetish-Wear ist so ziemlich alles dabei. Auffallend jedoch: Eigentlich sind es vor allem Männer, die tanzen, ohne T-Shirts und dabei ihre Tattoos zeigen. Auch hier ist die volle Bandbreite zu sehen – vom Eisernen Kreuz bis zum Peace-Symbol.
Polizei und Veranstalter sind am Ende jedenfalls zufrieden. 300.000 Menschen sind laut Veranstalter gekommen, die Polizei sprach von 200.000. 153 Menschen mussten durch den Sanitätsdienst versorgt werden, 51 kamen ins Krankenhaus.
9 Jul 2023
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