taz.de -- Portugal genehmigt riesigen Tagebau: Lithium für 500.000 E-Autos im Jahr

Verkehrswende kontra Umwelt: In der portugiesischen Region Covas do Barroso liegt die größte Lithiummine Westeuropas. Und sie ist Unesco-Welterbe.
Bild: Dass der geplante Tagebau Landschaft zerstören wird, ist klar. Wiegen die Vorteile das auf?

Madrid taz | Die vermutlich letzte Hürde ist gefallen. Ende der Woche hat die portugiesische Umweltbehörde die Umweltverträglichkeit der Pläne für die größte [1][Lithiummine] in Europa bestätigt, für die Genehmigung aber Auflagen gemacht. Wenn die potenziellen Betreiber diese akzeptieren, steht dem umstrittenen Tagebau im Norden Portugals nahe der spanischen Grenze nichts mehr im Wege.

Der Bescheid der Behörde markiere „den Beginn einer aufregenden neuen Phase für das Barroso-Lithiumprojekt, für Savannah und für Portugal“, sagte Dale Ferguson, der CEO der britischen Bergbaugesellschaft Savannah Resources, die die Lizenz für den Abbau beantragt hat, erwartungsgemäß. Es sei der „erste Schritt in Richtung einer bedeutenden Rolle in der Wertschöpfungskette für Lithiumbatterien und in der europäischen Energiewende“. Für sein Unternehmen versprach er ein „verantwortungsvolles Vorgehen“.

Lithium ist das Metall, das eine nachhaltige und klimaneutrale Zukunft garantieren soll. Es wird etwa für die [2][Herstellung von Batterien für die E-Mobilität] gebraucht. Der Bedarf ist enorm. Die Vorkommen im Norden Portugals sind es auch. 27 Millionen Tonnen lithiumhaltiges Gestein sollen um das 260 Einwohner zählenden Dorf Covas do Barroso lagern. Savannah plant, hier bald jährlich Lithium für eine halbe Million Autobatterien abzubauen. Bei der [3][Gewinnung des begehrten Metalls aus dem abgebauten Gestein kommen allerdings hochgiftige Chemikalien zum Einsatz, viel Energie und Wasser] wird gebraucht.

Zu den Auflagen der Umweltbehörde gehört deshalb neben der Wiederaufforstung der Region, dass dem nahen Fluss Covas kein Wasser entnommen werden darf. Zudem muss der Bergbaukonzern eine neue Zugangsstraße errichten und die betroffenen Gemeinden finanziell entschädigen.

Anwohner „überrascht“

Denn vor Ort stößt der Bescheid auf Widerstand. „Gemeinsam für die Verteidigung von Covas“, auf Spanisch abgekürzt UCDB, lautet der Name einer Bürgerinitiative aus dem Dorf, das im Herzen des künftigen Tagebaus liegt. Hier zeigt man sich „überrascht, nachdem die Pläne über zwei Jahre lang von Fachleuten konsequent abgelehnt wurden“, wie es in einer Erklärung heißt.

In Boticas, einem ebenfalls von dem geplanten Bergbau betroffenen Ort, prüft Bürgermeister Fernando Queiroge Schritte gegen den Beschluss. „Die Überlegung, die Entscheidung vor Gericht anzufechten, ist auf dem Tisch“, sagt er im staatlichen Rundfunk.

„Die portugiesische Regierung hat nur ein Ziel: das Projekt zu genehmigen. Das ist eine Katastrophe für die Umwelt und gegen den Willen der Bevölkerung“, erklärt die UCDB.

Regierung hofft auf Jobs

Tatsächlich steht die [4][sozialistische Regierung unter Antonio Costa] seit Jahren an der Seite von Savannah Resources. Sie verspricht sich für das arme südwesteuropäische Land, das ähnlich wie Griechenland von der Eurokrise besonders hart betroffen war, Millioneninvestitionen und Arbeitsplätze, insbesondere im Norden.

Aber der Preis ist hoch: Die Region wurde erst 2019 von der Landwirtschafts- und Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen zum landwirtschaftlichen Weltkulturerbe erklärt. Nun soll der ganze Landstrich regelrecht umgegraben werden. Weil Lithium im Tagebau abgebaut wird, werden riesige Löcher die Zukunft der hügeligen Region sein. Dutzende 150 Meter tiefe Löcher mit einem Durchmesser von bis zu 600 Metern sollen entstehen.

Auch die portugalweit aktive Umweltorganisation Zero reagiert empört. Deren Vorsitzender Francisco Ferreira spricht von „sehr starkem politischem Druck, die Ausbeutung von Lithium voranzutreiben“. „Wir sind nicht gegen die Ausbeutung von Lithium in Portugal, aber es muss an den richtigen Orten sein, und das hier ist ein falscher Ort“, sagt er. Die Minen seien viel zu nahe an den Dörfern. Er fürchte um die Gesundheit der Menschen, um die Bäche und das Grundwasser der Region. Ein Risiko für das Ökosystem lasse sich nicht zu 100 Prozent verhindern, kritisiert Ferreira die Auflagen der Umweltbehörde.

Während die Bergbaugesellschaft nun die „Wiederaufnahme der Sondierungen zur endgültigen Feststellung der Wegbarkeit des Abbaus“ ankündigt, ruft die Bürgerinitiative UCDB vom 10. bis zum 15. August zu einem [5][dritten Protestcamp zur Verteidigung von Barroso] auf.

4 Jun 2023

LINKS

[1] /Abhaengigkeit-von-Rohstoffen/!5885948
[2] /Handelsabkommen-zwischen-EU-und-Suedamerika/!5855356
[3] /Lithiumgewinnung-in-Argentinien/!5821885
[4] /Steigende-Mieten-in-Portugal/!5922309
[5] /Einseitiger-Kampf-um-Bergbauprojekte/!5720507

AUTOREN

Reiner Wandler

TAGS

Schwerpunkt Klimawandel
Verkehrswende
Rohstoffe
GNS
wochentaz
E-Autos
Wassermangel
SPD
Seltene Erden
wochentaz

ARTIKEL ZUM THEMA

Lithium in Lateinamerika: Alle wollen es, alle brauchen es

Der Geologe Micha Zauner sucht in Argentinien nach Lithium für die deutsche Industrie. Er will es nachhaltiger abbauen als andere. Geht das überhaupt?

Proteste gegen Lithiumabbau in Serbien: Die Schattenseiten des E-Autos

Mit dem Rohstoff Lithium muss sparsamer umgegangen werden als bisher. Die Gigantomanie bei E-SUVs mit 700 Kilogramm Batteriemasse ist inakzeptabel.

Große Straßenblockaden in Argentinien: Ein Kampf um begrenzte Ressourcen

Argentinien ist reich an Lithiumvorkommen. Aber Indigene der Provinz Jujuy sorgen sich, dass ihr Wasser unter dem Abbau leidet – und wehren sich.

Kevin Kühnert über 160 Jahre SPD: „Schröder hat sich entschieden“

Von Askese hält Kevin Kühnert wenig. Er wirbt lieber für den aktiven Staat in der Öko-Transformation. Ein Gespräch über Umverteilung, Ex-Vorsitzende und 160 Jahre SPD.

Metalle werden knapp: Rohstoffhunger für Energiewende

Solarpaneele und Windräder brauchen mehr Metalle als das herkömmliche Energiesystem. Das könnte die Energiewende verzögern.

Umweltfolgenforscher über Tiefseebergbau: „Es geht um das Erbe der Menschheit“

Konzerne wollen Rohstoffe wie Mangan künftig auch aus der Tiefsee gewinnen. Das hätte Auswirkungen auf das Ökosystem, sagt Forscher Matthias Haeckel.