taz.de -- Sponsoren-Rochade bei Werder Bremen: Häuser statt Hühner
Das Bauunternehmen Matthäi wird neuer Hauptsponsor von Werder Bremen. Elf Jahre lang war das der umstrittene Geflügelkonzern Wiesenhof.
Bremen taz | Derzeit ziert noch der Aufdruck „Green Legend“ das Trikot von [1][Werder Bremen]. Green Legend ist die vegane Marke der PHW-Gruppe, die vor allem bekannt ist für Geflügelfleischprodukte, vermarktet unter dem Namen „Wiesenhof“. Die PHW-Gruppe mit Hauptsitz im niedersächsischen Rechterfeld ist seit elf Jahren Werder Hauptsponsor. Mit seinen [2][„alternativen Proteinquellen“] passt sich der Wiesenhof-Konzern zwar an die sich wandelnden Konsumbedürfnissen an, [3][so wie etwa auch Wurst-Konkurrent Rügenwalder]; bei den Bremer Fans sonderlich beliebt war der Sponsor aber nie: [4][zu viele Skandale] rund um Tierschutz und Arbeitsbedingungen.
Keine Folge von Kritik
Mit Beginn der laufenden Saison hat der Aufdruck „Green Legend“ das Wiesenhof-Logo abgelöst – auf den Trikots der beiden Bundesligateams sowie denen der Männer-U23 und -Nachwuchsteams. Dass den Fleischproduzenten als Haupt- und Trikotsponsor ab der Saison 2023/24 der Verdener Baudienstleister Matthäi ersetzt, liegt jedoch nicht an öffentlicher Kritik an Wiesenhof: Man habe diese wahrgenommen, sagt Werder-Sprecher Christoph Pieper, „auf der anderen Seite hat sich bei Wiesenhof in den letzten Jahren Vieles im Bereich Nachhaltigkeit weiterentwickelt“. Als Beispiele nennt er neben der Entwicklung der veganen Marke auch die Klimaschutzziele des Unternehmens.
Die langjährige Partnerschaft zu beenden, hat vielmehr die PHW-Gruppe selbst entschieden: Die „Kommunikationsziele“ seien erreicht, wird der Vorstandsvorsitzende Peter Wesjohann zitiert. Auf Nachfrage erläutert PHW-Sprecher Ingo Stryck: „Grundsätzlich hat uns die Zusammenarbeit dabei geholfen, unser Verständnis von einer zukunftsfähigen Geflügelfleisch- und Lebensmittelherstellung in Deutschland zu kommunizieren.“ Darüber hinaus habe man die mediale Reichweite der Bundesliga genutzt, „um vor allem auch außerhalb der Grillsaison mit unseren Marken präsent zu sein“.
In Stellungnahmen feiern Werder und PHW die gute Zusammenarbeit – die mitnichten vorbei sei: Wiesenhof bleibt sogenannter Top-Partner von Werder, also in der – gemessen am Volumen – zweitwichtigsten Gruppe von Sponsoren. Dazu zählen derzeit sechs Unternehmen, zum Beispiel die Biermarke Haake Beck, der Stromversorger EWE – und Matthäi.
„Gemeinsamer Wertekompass“
Das Bauunternehmen, das an über 70 Standorten mehr als 3.000 Menschen beschäftigt, tauscht also quasi mit Wiesenhof die Plätze. Seit 2019 arbeitet Matthäi mit Werder zusammen, unter anderem in sozialen Projekten. Man teile einen Wertekompass, sagt Vereinssprecher Pieper. Das Unternehmen setze sich mit seiner Stiftung „für Wissen und Bildung“ ein und versuche, „unsere freiheitliche demokratische Grundordnung zu stärken“.
Doch kurz nach Verkündung der ausgebauten Partnerschaft wurde öffentlich die Vergangenheit des Unternehmens thematisiert. Denn Matthäi hat „das nationalsozialistische Regime unterstützt und davon wirtschaftlich profitiert“, so steht es [5][auf der eigenen Website]. Im Gründungsjahr 1933 hatte das Bauunternehmen den Auftrag erhalten, [6][den sogenannten Sachsenhain] in Verden zu errichten: eine „von der faschistischen Ideologie des Dritten Reiches geprägte Gedenkstätte“. Zudem baute Matthäi drei Fachwerkhäuser auf dem Truppenübungsplatz Bergen.
Im Text ist von der „Gerhard und Karin Matthäi Stiftung“ die Rede, die sich für Bildung und Ausbildung engagiere. Auch im Team wird demnach „große Vielfalt“ vertreten: „Totalitarismus, Rassismus, Hass und Ausgrenzung treten wir offen entgegen.“ Der historischen Verantwortung scheint sich Matthäi bewusst, entsprechend war die Vergangenheit der Firma für Werder kein Grund, nicht zusammenzuarbeiten. „Das ist nicht unproblematisch“, sagt Pieper, „aber viel wichtiger ist, wie sie jetzt damit umgehen. Matthäi zeigt einen reflektierten, selbstkritischen Umgang.“
Über das Volumen des Sponsorings schweigen Verein und Unternehmen. Das Radio-Bremen-Magazin „[7][buten un binnen]“ berichtet von sieben Millionen Euro pro Jahr. Der Vertrag soll zunächst für drei Jahre laufen.
20 Feb 2023
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