taz.de -- Nach den Ausschreitungen in Brasilien: Lula und Justiz greifen durch
Präsident Lula entlässt mindestens 40 Militärs wegen ihrer Rolle beim Sturm auf Brasília. Gegen Randalierer sind erste Anklagen erhoben worden.
Brasília/Washington ap/afp/dpa | Mindestens 40 Mitglieder des brasilianischen Militärs sind nach dem Sturm auf das Regierungsviertel in Brasília von ihren Tätigkeiten in der Präsidentenresidenz entbunden worden. Entsprechende Erlasse wurden im Amtsblatt der Regierung am Dienstag (Ortszeit) veröffentlicht. Betroffen sind vor allem niederrangige Militärs wie einfache Soldaten, Gefreite und Unteroffiziere, die beispielsweise in der Verwaltung und im Sicherheitsdienst des „Palácio da Alvorada“, der Residenz des neu vereidigten Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva, in der Hauptstadt Brasília tätig waren.
Am 8. Januar hatten Anhänger des kurz zuvor von Lula abgelösten Staatschefs Jair Bolsonaro den Kongress, den Regierungssitz und den Obersten Gerichtshof in Brasília [1][gestürmt] und erhebliche Schäden verursacht. Rund 1.500 Sympathisanten Bolsonaros wurden vorläufig festgenommen. Der Linkspolitiker Lula warf seinem rechten Vorgänger vor, seine Anhänger aufgestachelt zu haben, was Bolsonaro bestreitet.
Zudem äußerte Lula den Verdacht, dass es Absprachen der Krawallmacher mit Mitgliedern der Streitkräfte und der Bundespolizei des [2][Hauptstadtdistrikts] gegeben haben müsse. Die Generalstaatsanwaltschaft leitete am Dienstag eine Untersuchung ein, um die mögliche Verantwortung von Politikern und Militärs zu untersuchen.
Am Montag waren die ersten 39 Anklagen gegen mutmaßlich an den Krawallen beteiligte Bolsonaro-Anhänger erhoben worden. Ihnen wird unter anderem die Bildung einer bewaffneten kriminellen Vereinigung, Beschädigung von öffentlichem Eigentum und ein versuchter Staatsstreich vorgeworfen.
Die Staatsanwälte einer neuen Arbeitsgruppe gegen antidemokratische Aktionen beantragte, dass die Verdächtigen in Untersuchungshaft kommen. Zudem sollten Vermögen im Umfang von 40 Millionen Reais (mehr als 7 Millionen Euro) eingefroren werden.
Zweite Festnahme nach gescheitertem Attentat auf Lula
Nach einem gescheiterten Attentat auf Luiz Inácio Lula da Silva kurz vor seinem Amtsantritt ist ein zweiter Verdächtiger festgenommen worden. Der 32-Jährige habe sich im Bundesstaat Mato Grosso der Polizei gestellt, hieß es am Dienstag in einer Polizeimitteilung. Ein dritter Verdächtiger sei noch auf der Flucht.
Ein erster Verdächtiger war kurz nach dem gescheiterten Sprengstoffattentat an Heiligabend in Brasília festgenommen worden. Der Mann, ein Anhänger von Lulas rechtsextremem Vorgänger Jair Bolsonaro, soll Sprengsätze an einem Tanklaster platziert und so versucht haben, vor dem Machtwechsel Chaos zu verbreiten. Er habe die „Einführung des Kommunismus in Brasilien“ verhindern wollen, sagte der Beschuldigte den Ermittlern.
18 Jan 2023
LINKS
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Parlamente in den USA, Deutschland und Brasilien wurden angegriffen. Was bedeutet es, wenn eine ursprünglich demokratische Geste ins Gegenteil verkehrt wird? Die Gegendemokratie hat sich verändert.
In Brasilien ist der Sturm auf das Parlament gescheitert. Wie schon 2021 in Washington hat populistisches Gift die Bevölkerung angestachelt.
Gelassenheit lässt sich üben: Es hat doch was, dass es den Rechtsextremen weder in den USA noch in Brasilien gelungen ist, die Demokratie zu kippen.
Nach dem Sturm auf den Kongress in Brasilien gehören die Teilnehmer vor Gericht. Dabei geht es nicht um Vergeltung, sondern um Demokratie.