taz.de -- Sicherheit im Hamburger Straßenverkehr: Tot trotz Abbiegeassistenz
Am Montag tötete ein Lkw-Fahrer eine Radfahrerin beim Rechtsabbiegen. Für Samstag hat der ADFC zu einer Mahnwache aufgerufen.
Hamburg taz | Auf Grün stand die Ampel am vergangenen Montagnachmittag für beide: In der Hamburger Hafencity wollte ein 56-jähriger Lasterfahrer an einer Kreuzung rechts abbiegen, eine neben ihm auf der schmalen Radspur befindliche 34-jährige Radfahrerin wollte geradeaus radeln. Als wenige Minuten später der Notarzt eintraf, war [1][die Radlerin nach dem Zusammenprall mit dem Laster schon tot.]
Erneut entfacht ein tödlicher Verkehrsunfall in Hamburg die Debatte über die [2][Sicherheit für Radfahrer:innen] auf den Straßen. So befand sich die Radlerin etwa auf einer Veloroute, die von der Stadt als besonders sicher angepriesen werden. Anwohner:innen sollen jedoch nach Angaben des Radverbandes ADFC schon mehrfach bei der Polizei darauf hingewiesen haben, dass die Kreuzung für Radler:innen nicht sicher ist.
Hinzu kommt: Der Lkw-Fahrer tötete die Radlerin, obwohl im Laster ein Abbiegeassistent installiert war. Für Samstagnachmittag hat der ADFC zu einer Mahnwache für die getötete Radfahrerin am Unfallort aufgerufen.
Beim Hamburger ADFC-Sprecher Dirk Lau mischt sich die Trauer über die getötete Radfahrerin mit einer großen Wut auf die Polizei und die Verkehrsbehörde. „Es gab dringende Bitten der Anwohner:innen nach mehr Sicherheit für Radfahrende an dieser Kreuzung“, sagt Lau. „Doch die Politik schaut einfach zu.“
Zahl des Verkehrsunfälle ist gestiegen
So räume die Stadt den Radfahrenden dort zu wenig Platz ein. Stattdessen gebe es für den Kfz-Verkehr an der Kreuzung auch noch einen zusätzlichen Rechtsabbiegestreifen. Dass für die dicht aneinandergedrängten Verkehrsteilnehmer:innen – abbiegende Kfzs einerseits, Radfahrer:innen auf dem nur durch Farbe markierten Radstreifen andererseits – keine getrennten Ampelphasen eingerichtet sind, sei ein weiteres Problem.
Gerade auf einer Veloroute seien diese Umstände unhaltbar, findet Lau. [3][14 Velorouten gibt es mittlerweile in Hamburg.] Das bezirksübergreifende, insgesamt rund 280 Kilometer lange Netz soll den Radverkehr auf verkehrsarme Strecken führen und die Wohngebiete der inneren und äußeren Stadt mit den Stadtteilzentren und der City verbinden. Die Velorouten seien „attraktiv sowie sicher und zügig zu befahren“, verspricht die Stadt. „Das ist angesichts vieler Kreuzungen, die für Radfahrende ähnlich unsicher sind wie am Unfallort in der Hafencity, zynisch“, sagt Lau.
Tatsächlich kommt es immer wieder zu tödlichen Unfällen, wenn rechtsabbiegende Lastwagenfahrer:innen Radler:innen übersehen. Erst vorige Woche erfasste in Hannover ein Lkw-Fahrer eine 59 Jahre alte Radfahrerin beim Rechtsabbiegen an einer Kreuzung und schleifte sie noch 700 Meter mit. In Hamburg kam es zuletzt im vergangenen Oktober zu einem ähnlichen tödlichen Unfall.
Entgegen ersten anders lautenden Meldungen war im unfallverursachenden Lastwagen in Hamburg [4][ein Abbiegeassistent installiert]. Wie die Hamburger Polizei auf Nachfrage mitteilt, handelte es sich dabei allerdings nicht um eine zugelassene Assistenz. Offenbar war im Laster ein Gerät installiert worden, das zwar den Fahrer beim Abbiegen mit einer Kamera unterstützt, aber ihn nicht, etwa durch ein Tonsignal, warnt, wenn sich ein Zusammenstoß mit Radfahrer:innen beim Abbiegen anbahnt.
Ob Hamburgs Straßen für Radler:innen durch den Kfz-Verkehr zunehmend gefährlicher werden, ist jedoch unklar. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist 2022 von Januar bis Ende November die Zahl der verunfallten Radfahrer:innen um 19 Prozent gestiegen. Das geht aus der Antwort des Hamburger Senats auf die Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Richard Seelmaecker hervor. Demgegenüber steht ein Anstieg des Radverkehrs von lediglich neun Prozent. Der Senat sagt, er könne grundsätzliche Trends erst mit Vorliegen der Zahlen für das Gesamtjahr einschätzen.
3 Feb 2023
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