taz.de -- Bundesverfassungsgericht zu Berlin-Wahl: Chaos aus Karlsruhe

Die Berliner Wiederholungswahl darf stattfinden – unter Vorbehalt. Aber warum mischt sich Karlsruhe in Länderangelegenheiten ein?
Bild: Erste Runde: Die Vereidigung des neuen Berliner Senats am 21. Dezember 2021

Danke, Karlsruhe. Schon zwei Wochen vor der Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus erfahren die Berliner Wähler:innen und die Berliner Verwaltung, dass die Wahlen tatsächlich stattfinden können. Der Eilantrag ging ja auch erst vor sechs Wochen ein.

Wie sehr man sich beeilt hat, zeigt das [1][Bundesverfassungsgericht] schon dadurch, dass die Begründung für den Eilbeschluss noch gar nicht fertig ist und vermutlich erst noch im Detail beraten werden muss.

Und wie komplex die Aufgabe ist, die man so schnell erledigt hat, sieht man schon daran, dass über die Hauptsache noch gar nicht entschieden wurde. Das wird dann irgendwann im Lauf des Jahres (oder des nächsten Jahres) erfolgen.

So lange steht die [2][Berliner Wiederholungswahl] also unter dem Vorbehalt, dass ihre Anordnung verfassungswidrig war und dass vielleicht doch die 2021 gewählten Abgeordneten die richtigen Abgeordneten sind.

Vermutlich wird es nicht so weit kommen, sonst hätte Karlsruhe wohl gleich die Wiederholungswahl gestoppt. Aber sicher ist derzeit gar nichts, denn die Begründung ist ja noch nicht fertig.

Dabei fragt man sich, was das überforderte Bundesverfassungsgericht überhaupt mit diesen Landeswahlen zu tun hat. Schließlich betont es immer wieder, dass die Länder bei der Staatsorganisation „getrennte Verfassungsräume“ sind und abschließende Urteile der Landesverfassungsgerichte über Wahlfragen nicht mehr in Karlsruhe überprüft werden.

Aber offensichtlich hat das [3][Bundesverfassungsgericht] doch einen Grund gefunden, warum es die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts gründlich prüfen muss/will. So wie Karlsruhe ja auch immer wieder Gründe findet, den für EU-Recht zuständigen Europäischen Gerichtshof zu maßregeln, er lege das EU-Recht falsch aus.

Der Berliner Fall zeigt ganz klar: Wenn sich das Bundesverfassungsgericht auf seine eigenen Zuständigkeiten konzentrieren würde und nicht überall mitmischen wollte, gäbe es weniger Chaos in der Welt des Rechts.

31 Jan 2023

LINKS

[1] /Entscheidung-des-Verfassungsgerichts/!5912191
[2] /Wahlwiederholung-in-Berlin/!5907658
[3] /Karlsruhe-zu-Berlin-Wahl/!5912020

AUTOREN

Christian Rath

TAGS

Schwerpunkt Wahlen in Berlin
Berlin
Bundesverfassungsgericht
GNS
Franziska Giffey
Grüne Berlin
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
Wahlkampf

ARTIKEL ZUM THEMA

Wahlwiederholung in Berlin: Zeichen einer stabilen Demokratie

In Berlin lief 2021 bei der Wahl einiges schief, jetzt muss sie wiederholt werden. Das nervt, kann aber auch als Chance betrachtet werden.

Wahlklage vor Verfassungsgericht Hamburg: Keine Berliner Verhältnisse

Ein FDP-Politiker klagte gegen die Bürgerschaftswahl 2020 und wollte sie wiederholen lassen. Doch das Verfassungsgericht hat nichts zu bemängeln.

Karlsruhe zu Berlin-Wahl: Wahl der Qual

Knapp zwei Wochen vor der Berlin-Wahl stand kurz im Raum, dass diese abgesagt werden könnte. Das verunsichert Wähler*innen, passt aber leider ins Bild.

Entscheidung des Verfassungsgerichts: Berlin hat tatsächlich die Wahl

Die Wiederholung der Berlin-Wahlen kann wie geplant am 12. Februar stattfinden, sagt Karlsruhe – während der Wahlkampf längst auf Hochtouren läuft.

Die Wahrheit: Nichts Neues im Wahlkampf

Demnächst gibt es eine Wahlwiederholung in Berlin: Die Werbemittel sind schon jetzt rechtswidrig.