taz.de -- HBO-Serie „The Last of Us“: Sehenswert mit Pilzen

Diese Serienadaption fängt den Geist des Games „The Last of Us“ ein. Sie zeigt das Überleben in der Zombie-Pandemie – pandemisch, nah und menschlich.
Bild: könnte die Pandemie beenden: Ellie (Bella Ramsey) (links)

Kann man Gefallen finden an einer Serie über eine Pandemie – auch wenn die realen Wunden noch frisch sind? Bei „The Last of Us“ funktioniert das. In der HBO-Adaption [1][der gleichnamigen, erfolgreichen Videospielreihe] geht es zwar nicht um ein Virus – sondern um einen Pilz – doch zumindest der Auftakt der Serie möchte suggerieren: Dieses Bedrohungsszenario ist nicht absurd.

Ein Wissenschaftler erklärt, dass der parasitäre Fungus Ophiocordyceps unilateralis – bislang nur für Insekten gefährlich – durch eine evolutionäre Anpassung an wärmeres Klima auch Menschen zum Wirt nehmen und Kontrolle über ihn erlangen könne. Seine Worte sind eine Prophezeiung:

2003 verwandeln sich erste Menschen in zombieartige Wesen, die ihre Opfer durch einen Biss zu ihresgleichen machen. Die Zivilisation bricht umgehend zusammen. Wie schon die Vorlage, deren Geist hervorragend eingefangen wird, interessiert sich die Serie der Showrunner Craig Mazin („[2][Chernobyl]“) und Neil Druckmann vor allem dafür, wozu der Mensch in Extremsituationen fähig ist – im „Guten“ wie im „Bösen“.

Diese starren Kategorien weicht die Handlung auf, indem sie sensibel verschiedene Perspektiven einnimmt. Ein jeder hat Gründe für das, was er tut – und „The Last of Us“ macht selbst die vermeintlichen Antagonisten für das Publikum nachvollziehbar. So bekommt ein feindseliger Prepper in seiner Ein-Mann-Festung durch die unwahrscheinliche Liebe zu einem Überlebenden seine sanfte Seite verliehen.

Die verschiedenen Möglichkeiten, wie sich die Menschen lange nach Ausbruch der Pandemie organisieren, werden durch die Augen eines ungleichen Duos gezeigt. Der zähe Schmuggler Joel (Pedro Pascal) zieht 2023 mit der 14-jährigen Draufgängerin Ellie (Bella Ramsey), die der Schlüssel zu einer Impfung sein könnte, durch Nordamerika. Dabei sind sie ebenso mit militärdiktatorischen Strukturen konfrontiert wie mit einer gewaltbereiten Widerstandsbewegung und lernen eine kommunistisch-organisierte Siedlung kennen.

Die allgegenwärtige Bedrohung durch Infizierte tritt gegenüber dem virtuos erzählten allzu Menschlichen in den Hintergrund. Ein seltenes Streaming-Juwel.

20 Jan 2023

LINKS

[1] /Homophobie-in-der-Gaming-Szene/!5694921
[2] /Kolumne-Die-Couchreporter/!5595530

AUTOREN

Arabella Wintermayr

TAGS

Serien-Guide
Zombies
GNS
Games
Comedy
TV-Serien
Pilze
HBO
Serie
Serien-Guide
Serie

ARTIKEL ZUM THEMA

HBO-Serie „The Chair Company“: Der weiße Mann als Opfer

In „The Chair Company“ zeigt Tim Robinson den alltäglichen Wahnsinn eines Verschwörungsopfers. Die Serie setzt die US-Vorstadthölle genial in Szene.

Neue Staffel von „The Last of Us“: Kein Heilmittel gegen allzu Menschliches

„The Last of Us“ kehrt zurück: radikaler, schmerzlicher – und mit einer Parabel auf die fatale Spirale aus Gewalt, Vergeltung und Verhärtung.

Musik und Ausstellung zum Thema Pilze: Ein Schleierling namens Cage

Uneindeutig und Unbehagen stiftend: Der Pilz erlebt eine bemerkenswerte Konjunktur – auch und gerade in kulturellen Zusammenhängen.

Angriffe gegen Serie „The Last of Us“: Nicht nur Action

Die HBO-Produktion „The Last of Us“ ist eine der Serien der Stunde. Doch auf Onlineplattformen macht ein homophober Mob gegen zwei Folgen Stimmung.

„Welcome to Chippendales“: Sex, Geld und Macht

Die Serie „Welcome to Chippendales“ erzählt die Geschichte der Striptease-Gruppe in den 70ern. Auf hohem Niveau bleibt sie teilweise leider flach.

Netflix-Serie „Totenfrau“: Leichen in Tirol

In der Netflix-Serie „Totenfrau“ jagt eine Witwe den Mördern ihres Mannes sowie anderer Frauen hinterher. Die Handlung ist leider vorhersehbar.

Serien-Tipps fürs neue Jahr: Thriller, Royal Family und Zombies

Investigativer Journalismus als Show und die neuste Staffel von „The Walking Dead“: Sechs Serien, auf die wir uns dieses Jahr freuen können.