taz.de -- Protest von Klimaschützer*innen: Bauplatz für LNG-Terminal besetzt

In Brunsbüttel entsteht ein LNG-Terminal – gestern besetzten Aktivist*innen die Baustelle. Sie fordern den Ausbau erneuerbarer Energien.
Bild: Auf die Baustellenfahrzeuge geklettert: Polizisten schauen aus der Distanz zu den Aktivist:innen

Rendsburg taz | Protest auf Baggern: Am Mittwochmorgen hat ein gutes Dutzend Aktivist*innen bei Brunsbüttel neben der Baustelle einer Pipeline parkende Fahrzeuge erklettert und Transparente aufgehängt. [1][Der Protest richtet sich gegen das Terminal] für Flüssiggas, das im Hafen der Kleinstadt an der Elbmündung entstehen soll. Die Polizei ließ die Besetzer*innen bis zum Redaktionsschluss der taz gewähren. Am Zeitplan für den Bau wird der Protest wohl nichts ändern.

Es gehe ihnen um „Aufmerksamkeit für die massiven Auswirkungen von flüssigem Erdgas auf das Weltklima und die neokolonialen Strukturen hinter der Förderung“, heißt es in einer Mitteilung der Gruppe. Die ersten Stunden der Besetzung verliefen ruhig, berichtete eine Aktivistin am Telefon: „Aktuell genießen wir die Sonne und schreiben Briefe an Leute, die wegen Klimaprotesten in Haft sind.“

Auch beim Start der Aktion habe es keine Probleme gegeben. Die Fahrzeuge hätten auf einem Gelände neben der Baustelle gestanden. Die Gruppe habe insgesamt fünf Wagen, darunter einen Bagger, besetzt, sagte die Sprecherin der Gruppe. Zur Mittagszeit beschreibt sie die Lage auf dem Baugelände als „entspannt“: „Wir wurden nach einer verantwortlichen Person gefragt, aber die gibt es nicht.“ Ein Sprecher der Polizei schilderte die Aktion als „friedlich und ruhig“. Die Polizei war vor Ort, hielt aber Abstand zu den Baufahrzeugen.

Der Bau der rund drei Kilometer langen Pipeline hatte Ende September begonnen. Sie ist Teil eines größeren Bauprojekts, mit dem bereits zum Jahreswechsel 2022/23 [2][Flüssiggas (Liquefied Natural Gas, LNG) vom Brunsbütteler Hafen] ins Land transportiert werden soll. Die Pipeline mit der Nummer 185, die überirdisch verläuft, soll von dem neuen schwimmenden LNG-Terminal zu den Leitungen der SH Netz AG führen. Geplant ist auch eine zweite Pipeline mit 55 Kilometern Länge.

Umweltschützer kritisieren schädliche Weichenstellung

Umweltgruppen kritisieren den [3][Ausbau des LNG-Terminals]. Durch die neu geschaffene Infrastruktur „würde einem langfristigen Import von fossilem Erdgas mit massiv negativen Auswirkungen auf die Klimaziele Tür und Tor geöffnet“, sagt Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH).

Anfang August hatte die DUH ihre Stellungnahme gegen den Bau eingereicht, aber die Möglichkeiten eines Einspruchs sind deutlich erschwert. Denn mit dem „LNG-Beschleunigungsgesetz“ hat der Bund kürzere Genehmigungsverfahren für Flüssiggasterminals beschlossen, die bei den geplanten Projekten in Wilhelmshaven und Brunsbüttel bereits Wirkung zeigen.

Die schwarz-grüne Regierung in Schleswig-Holstein steht hinter dem Terminal: „Die LNG-Infrastruktur in Brunsbüttel wird einen wichtigen Beitrag leisten, [4][künftig ohne russisches Gas auszukommen]“, sagt der Kieler Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne), dessen Haus auch für die Energiewende zuständig ist.

Nach seinem Zeitplan sollen 2023 bis zu 3,5 Milliarden Kubikmeter verflüssigtes Erdgas [5][in Brunsbüttel ankommen], 2024 sollen es bis zu fünf Milliarden sein. Die Anlage könne später für „klimaneutrale Energieträger wie Wasserstoff“ genutzt werden.

Die Aktivist*innen am Brunsbüttler Bauplatz halten Goldschmidts Argument für vorgeschoben: „Um für Wasserstoff geeignet zu sein, müsste man anders planen und bauen“, sagt die Sprecherin. „Wir halten den Hinweis auf eine andere Nutzung für Greenwashing.“ LNG sei keine Brückentechnologie, sondern verhindere den Ausbau erneuerbarer Energien.

10 Nov 2022

LINKS

[1] /LNG-Terminals-an-der-Nordseekueste/!5856687
[2] /Gasversorgung-in-Deutschland/!5866936
[3] /Mindestens-drei-neue-Fluessiggasterminals/!5844254
[4] /Scholz-Reise-auf-die-arabische-Halbinsel/!5883590
[5] https://www.brunsbuettel-ports.de/

AUTOREN

Esther Geißlinger

TAGS

fossile Energien
LNG
Erneuerbare Energien
Energie
Besetzung
Energiekrise
LNG
Energiekrise
LNG
Erneuerbare Energien
Kevin Kühnert
Schwerpunkt Klimawandel
LNG

ARTIKEL ZUM THEMA

Flüssiggas gegen die Energiekrise: Habecks Einkaufsoffensive

Beim Flüssiggas macht Robert Habeck mächtig Tempo. Einerseits beeindruckend. Andererseits: Sind die Pläne wirklich durchdacht?

Kritik an LNG-Verträgen: Aus Katar nach Brunsbüttel

Die neuen LNG-Lieferverträge mit Katar sind klimapolitisch fahrlässig und verstärken die fossile Abhängigket, kritisieren Umweltverbände.

Flüssiggaslieferungen aus Katar: Habeck macht sich unglaubwürdig

Angesichts der Klimakrise muss der Ausstieg aus fossilen Energien so schnell wie möglich gelingen. Doch wenn Verträge wie der jetzige mit Katar geschlossen werden, passiert das Gegenteil.

LNG-Terminal in Wilhelmshaven: Keine Zeit für Fragen und Kritik

Das LNG-Terminal in Wilhelmshaven wurde mit minimierter Bürgerbeteiligung realisiert. Die ausgeblendete Kritik bringen nun Umweltverbände zur Sprache.

Alternative Antriebe: Denkmalschutz kontert Klimaschutz

In Hamburg soll eine Tankstelle für grünen Wasserstoff abgerissen werden. Sie verträgt sich nicht mit dem Status der Speicherstadt als Unesco-Welterbe.

Kevin Kühnert über Energiepolitik: „Ich lasse mich nicht aufteilen“

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert erklärt sein Selbstverständnis und die Irrwege in der Energiepolitik. Er hält wenig von grünem Lifestyle.

Vorwürfe gegen die „Letzte Generation“: Das Gefährlichste ist Nichtstun

Gefährdungen durch die „Letzte Generation“ sind eine große Ausnahme. Die weitaus größte Gefahr geht von der Ineffektivität der „Zukunftskoalition“ aus.

LNG-Lieferungen nach Europa: Vor Spanien stauen sich die Tanker

Schiffe mit Flüssiggas können ihre Ladung nicht an Land bringen. Die Speicher an Land sind fast vollständig gefüllt.