taz.de -- Prozess gegen Sixt: Autovermieter gegen Mitbestimmung
Sixt kündigte Mitarbeiterinnen, die in Düsseldorf einen Betriebsrat gründen wollten. Nun kassiert das Unternehmen eine weitere Klatsche.
Düsseldorf taz | Deutschlands größter Autovermieter, Sixt, hat bei seinem [1][Kampf gegen Betriebsräte] erneut eine heftige Niederlage einstecken müssen. Das in mehr als 100 Ländern präsente Unternehmen muss am Standort Düsseldorf drei fristlos gekündigte Mitarbeiterinnen weiterbeschäftigen, entschied das Landesarbeitsgericht in Nordrhein-Westfalens Landeshauptstadt am Dienstag.
Eine Revision wurde in allen drei Fällen nicht zugelassen. Die Frauen hatten im August 2021 versucht, eine Arbeitnehmer:innenvertretung zu gründen.
Sixt fährt [2][traditionell eine harte Linie] gegen jede Art innerbetrieblicher Mitbestimmung. Bis heute gibt es im gesamten Unternehmen, für das international mehr als 6.400 Menschen arbeiten, keinen einzigen Betriebsrat. Entsprechend reagierte die Geschäftsführung auf den Vorstoß am Düsseldorfer Flughafen: Es hagelte Abfindungsangebote von zunächst 15.000 Euro und fristlose Kündigungen für die drei Betriebsrats-Initiatorinnen.
Einer der Frauen soll Personalchefin Katharina Reichenberger sogar 150.000 Euro geboten haben – wenn sie nur die Firma verließe. „Das zeigt, dass Sixt fast jeden Preis zahlen will, um Betriebsräte zu verhindern“, sagt Verdi-Gewerkschaftssekretär Özay Tarim, der die drei Mitarbeiterinnen unterstützt.
Vorgeschobene Begründungen
Die Kündigungsbegründungen wirkten vorgeschoben. Mal ging es um Verspätungen, mal um den Vorwurf, für die Betriebsversammlung einen zu kleinen Raum angemietet zu haben. Einen fristlosen Rauswurf ermöglicht all das nicht: Schon im Februar hatte das [3][Arbeitsgericht Düsseldorf geurteilt, die Kündigungen seien unrechtmäßig].
Doch Sixt zog in die nächste Instanz – und argumentierte ernsthaft, die drei Mitarbeiterinnen hätten eine Betriebsratswahl nur angeschoben, um möglichst hohe Abfindungen herausschlagen zu können. Das aber wischte die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts unter dem Vorsitzenden Richter Alexander Schneider vom Tisch: „Was soll das für ein Plan sein“, fragte Schneider Sixt-Geschäftsführer Dirk Hünten – und attestierte ihm, die Vorwürfe gegen die drei Arbeitnehmerinnen grenzten „schon fast an Wahn“.
Laut Betriebsverfassungsgesetz dürfe Sixt gegen die Gründung eines Betriebsrats „nichts, gar nichts“ tun: „Sie haben sich jeglicher Einflussnahme zu enthalten“, ermahnte der Richter den Geschäftsführer. Stattdessen habe die Autovermietung den Eindruck erweckt: „Wer bei uns versucht, einen Betriebsrat zu gründen, fliegt raus.“
Auch für 90.000 Euro nicht käuflich
Doch auch die drei Mitarbeiterinnen warnte der Vorsitzende Richter indirekt, und zwar vor neuen Schikanen des Arbeitgebers, die ihnen bei Rückkehr an ihren Arbeitsplatz am Düsseldorfer Flughafen drohen dürften. „Es gibt doch Probleme vor Ort“, mahnte Schneider – schließlich hatte Sixt-Anwalt Holger Thomas zuvor erklärt, für die Autovermietung komme „nur eine Beendigung der Arbeitsverhältnisse“ infrage.
Doch die drei blieben standhaft. Eine Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses gegen vom Gericht in den Raum gestellte mögliche Abfindungen von bis zu 90.000 Euro brutto pro Person lehnten sie ab – obwohl ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld I abgelaufen ist und alle drei aktuell auf Hartz IV angewiesen sind.
„Das zeigt noch einmal in aller Deutlichkeit, dass es den Kolleginnen nicht um Abfindungen, sondern um einen Betriebsrat ging“, sagte Gewerkschaftssekretär Tarim. „Wir können nur den Hut vor ihnen ziehen.“ Die Gründung von Arbeitnehmer:innenvertretungen bleibe nicht nur am Standort Düsseldorf „selbstverständlich weiter das Ziel von Verdi“.
8 Nov 2022
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