taz.de -- Ukrainisches AKW in Saporischschja: Mission mit Hindernissen
Der Besuch der internationalen Atombehörde endet enttäuschend. Fünf Mitarbeiter sind noch vor Ort. Der Reaktor wird wieder hochgefahren.
Kyjiw taz | Das ukrainische Militär hat eigenen Angaben zufolge am Freitag feindliche Stellungen in der Nähe des von russischen Truppen besetzten Gebietes Cherson und der Stadt Enerhodar angegriffen. Diese befinden sich unweit des ukrainischen AKW Saporidschja. Das berichtete das ukrainische Nachrichtenportal Zerkalo nedeli. Dabei seien eine Kompagnie Soldaten zu Schaden gekommen sowie drei Artilleriesysteme und ein Munitionsdepot vernichtet worden.
„Die Verwundeten wurden in medizinische Einrichtungen in der Nähe des Dorfes Borozenskoye in der Region Cherson gebracht. Aufgrund der unzureichenden medizinischen Versorgung sind die meisten Invasoren ihren Verletzungen erlegen“, teilte das Militär mit.
Zuvor hatte ein Teil der Delegation der Internationalen Atombehörde IAEO hat [1][das ukrainische AKW Saporischschja] mit Delegationsleiter Raphael Grossi am Donnerstagabend wieder verlassen. Grossi wird am Dienstag bei der Sondersitzung des Sicherheitsrates der UNO in New York zum AKW Saporischschja erwartet. Doch fünf Delegationsmitglieder sollen noch drei oder vier Tage bleiben.
Enttäuscht zeigte sich Präsident Selenski am Donnerstagabend. Während ukrainische und internationale Journalisten die Delegation nicht hatten begleiten dürfen, hätten russische Medienleute frei berichten können. Außerdem sei das zentrale Anliegen der Ukraine nicht umgesetzt worden: eine Aufforderung der IAEO an Russland, das AKW Saporischschja zu entmilitarisieren.
Der Berater von Andriy Yermak, Chef der Präsidialadministration, Michail Podolyak, sagte, es mache ihn stutzig, dass die Mission eine Vor-Ort-Begehung gemacht, anschließend einen Vertreter von Rosatom angehört und dann IAEO-Chef Grossi gesagt habe, genug gesehen zu haben. „Eine genaue Prüfung kann man nicht in zwei Stunden durchführen“, zitiert strana.news Podoljak. Zudem sei der Gruppe um Grossi der Zugang zum Krisenzentrum verweigert worden.
Sehr differenziert äußerte sich am späten Abend Energieminister Herman Haluschtschenko im Fernsehen 1+1. Zunächst einmal, so der Minister, sei die Mission, von der Ukraine initiiert, eine gute Sache. Zwar seien die drei Stunden, die Grossi auf dem Gelände des AKW gearbeitet habe, wenig, Grossi habe die Zeit jedoch maximal genutzt. Nun sei entscheidend, was die Delegationsmitglieder machten, die im AKW geblieben seien. Auch aus Sicherheitsgründen sei es notwendig, dass die Ukraine die Kontrolle über das AKW zurückerhalte.
Das größte AKW
In den kommenden Tagen werde ein Bericht der IAEO zum Besuch der Delegation veröffentlicht werden, der auch Empfehlungen enthalten werde. „Doch wie soll die Ukraine, die das Kraftwerk zwar betreibt, es aber nicht kontrolliert, diese Empfehlungen umsetzen?“, fragt der Minister.
Außerdem erwarte er sich von der IAEO die eindeutige Aussage, dass die Stationierung von Militär auf einem AKW-Gelände eine Gefahr für einen sicheren Betrieb dieses Kraftwerkes sei.
[2][Das AKW Saporischschja] in der Stadt Enerhodar ist mit sechs Reaktoren Europas größtes AKW. Nach Angaben des Portals nv.ua hat das AKW Saporischschja im vergangenen Jahr 22,6 Prozent des in der Ukraine produzierten Stroms ins Netz eingespeist.
Der kürzlich heruntergefahrene Reaktor des von Russland besetzten ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja ist am Freitag nach ukrainischen Angaben wieder ans Stromnetz angeschlossen worden. „Zwei Reaktorblöcke in der Anlage sind nun in Betrieb und erzeugen Strom für den Bedarf der Ukraine“, schrieb das ukrainische Staatsunternehmen Energoatom auf Telegram. Am Donnerstag war einer der beiden noch betriebenen Reaktoren nach erneutem Beschuss an Europas größtem Atomkraftwerk abgeschaltet worden.
2 Sep 2022
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