taz.de -- Afghanische Ortskräfte in Katar: Kein Platz mehr wegen Fußball-WM
Die Unterkünfte, die in Katar von afghanischen Ortskräften genutzt wurden, stehen nicht mehr zur Verfügung. Das Auswärtige Amt äußert sich nicht.
erlin taz | Die Wohnungen waren luxuriös, erzählen Leute, die sie gesehen haben: schicke Apartments in Doha, neugebaut für die Fußball-WM in Katar. Katar hatte vorübergehend [1][Afghan*innen darin wohnen lassen,] die nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 geflohen und auf der Durchreise in andere Länder waren. Katar hatte Deutschland und anderen Ländern damit geholfen, die [2][Evakuierung ihrer Ortskräfte] voranzubringen.
Das hat mittlerweile ein Ende, berichten Mitarbeiter*innen verschiedener Hilfsorganisationen der taz. Der Grund [3][ist offenbar die Fußball-WM] – Katar braucht die Wohnungen jetzt wohl für die Vorbereitungen. Für Afghan*innen ist damit kein Platz mehr in Katar.
Pass, Visum, Flug – schwer zu organisieren
Das Auswärtige Amt will sich zu den Unterbringungen öffentlich nicht äußern. Es bestätigt allerdings, dass die Zahl der Afghan*innen, die über Katar nach Deutschland kommen, in den vergangenen Monaten stark abgenommen hat. Der Grund liegt demnach nicht nur in den fehlenden Wohnungen in Katar, sondern auch in den fehlenden Transportmöglichkeiten. Die Bundesregierung und andere Länder hatten Direktflüge aus Kabul nach Doha organisiert. Dort blieben die Menschen so lange, bis die Papiere für die Weiterreise nach Deutschland fertig waren. Allerdings haben die Taliban die Flüge aus Kabul Ende des Jahres 2021 gestoppt.
Wer jetzt aus Afghanistan über Doha nach Deutschland kommen will, muss also selbst einen Flug organisieren, braucht einen Pass und ein Visum für Katar. Beides ist nicht mehr leicht zu bekommen. Die, die noch aus Afghanistan ausreisen, reisen meist über Pakistan oder den Iran aus.
Kritik an Kooperation mit Katar
Die Linken-Abgeordnete Sevim Dağdelen, Obfrau im Auswärtigen Ausschuss, hat die Bundesregierung in der vergangenen Woche auch nach dem Stand der Wohnungen in Katar befragt. Die Bundesregierung bestätigt in ihrer Antwort, dass die Wohnungen nicht mehr zur Verfügung stehen, sie aber aktuell Verhandlungen zur Wiederaufnahme der Ausreisen über Katar führe.
Gegenüber der taz kritisierte Dağdelen die Kooperation mit Katar: Dass die Bundesregierung bei der ohnehin nur schleppend verlaufenden Evakuierung der Ortskräfte ausgerechnet auf den „Goodwill von Katar“ angewiesen sei, offenbare „das ganze Desaster des 20-Jährigen Nato-Krieges in Afghanistan mit deutscher Beteiligung“. Katar steht immer wieder für die Missachtung von Menschenrechten und die Unterstützung internationaler Terrorgruppen in der Kritik. Im Herbst findet dort die Fußball-Weltmeisterschaft statt.
25 Jul 2022
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die Podcasts „Beyond Qatar“ und „Geld Macht Katar“ diskutieren die kommende WM. Doch dabei bleibt die Debatte selbstreferenziell.
Unsere Autorin war Ortskraft in Kabul. Als vor einem Jahr die Taliban die Stadt eroberten, begann der Horror. Sie schaffte es nach Deutschland.
Hakim M. und seine Familie beherbergten Ortskräfte in Kabul und gerieten ins Visier der Taliban. Nach langem Warten könnte Berlin jetzt bald helfen.
Bei der Aufarbeitung des Einsatzes in Afghanistan sind Auftraggeber und Untersuchungsobjekt identisch. Es sind die Ampelparteien und die Union.
Der Bundestag bringt den Untersuchungsausschuss zum desaströsen Truppenabzug aus Afghanistan auf den Weg. Der Linken geht er nicht weit genug.